Radschnellwege

Staatssekretärin Zimmer: „Ich höre oft: Wann ist es endlich fertig?“

Von 
Michaela Roßner
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Zwischen Utrecht und Houten (Niederlande) rollen Radler auf bequemen, breiten Spuren ohne Autos flott vorwärts. © Michaela Roßner

Welche Eindrücke konnten Sie von der Radexkursion ins Ruhgebiet und in die Niederlande mitnehmen?

Elke Zimmer: Was ich aus Utrecht mitnehme, ist der Bewusstseinswandel, der stattgefunden hat. Fahrradfahren ist mit großer Selbstverständlichkeit Teil der Mobilität. Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer sind selbstverständlich gleichberechtigter Teil der Infrastruktur. In weiten Teilen sind sie sogar bevorrechtigt. Diesen Bewusstseinswandel zu erreichen, braucht wahrscheinlich Jahre. In den Niederlanden wird seit 20 Jahren daran gearbeitet. Dieses andere Mobilitätsdenken wünsche ich mir für Radfahrerinnen und Radfahrer genauso wie für Fußgängerinnen und Fußgänger bei uns auch. Und wir haben gesehen, dass in den Niederlanden zudem die schiere Anzahl der Radlerinnen und Radler die Veränderung gebracht hat.

Haben Sie ein konkretes Beispiel?

Zimmer: Wir haben erlebt, wie es ist, auf dem Radweg ganz unbeschwert unterwegs zu sein, und an einer Kreuzung ist auch den Autofahrern ganz klar, dass das Rad Vorfahrt hat. In Deutschland muss man sich hingegen zaghaft vortasten und nach rechts und links schauen - selbst wenn man unter Umständen bevorrechtigt ist.

Wir haben Rad-Parkhäuser gesehen und Brücken sowie Unterführungen, die nur für Zweiräder gebaut wurden. Ist das in Baden-Württemberg Zukunftsmusik?

Zimmer: Mich hat besonders beeindruckt, dass die Infrastruktur sehr unkompliziert nutzbar ist. Da fahre ich mit meinem Rad eine Rampe hinunter, komme in helle, großzügige, sichere Räume, in denen Tausende Abstellplätze vorhanden sind, die einfach zu bedienen sind. Solche Parkmöglichkeiten müssen einfach sicher sein, es muss leicht zu bedienen sein und es muss einladen. Viele haben inzwischen teure Räder. In Utrecht war das Radparkhaus zudem mit maximal 75 Euro im Jahr erschwinglich, in Houten war es sogar kostenlos. Ich sehe für Baden-Württemberg zwar in den nächsten Jahren noch keine Fahrradparkhäuser in dieser Größenordnung wie etwa in Utrecht entstehen. Ganz sicher aber werden immer mehr solcher Abstellmöglichkeiten gebaut - zuerst noch eine Nummer kleiner.

Zur Person

Elke Zimmer (Jahrgang 1966) ist seit 2016 im baden-württembergischen Landtag (Bündnis 90/Grüne).

Sie rückte 2016 für den verstorbenen Wolfgang Raufelder im Wahlkreis Mannheim II nach. Bei der Landtagswahl im März 2021 verteidigte sie ihr Direktmandat mit 35,9 Prozent der Stimmen.

Seit Mai 2021 ist Zimmer Staatssekretärin im baden-württembergischen Verkehrsministerium.

Seit 1990 lebt die Mutter dreier Kinder in Mannheim. Sie ist begeisterte Radfahrerin und verzichtet auf ein Auto.

Warum brauchen wir Radschnellwege?

Zimmer: Wir müssen Antworten auf die Klimakrise finden. Mobilität ist einer jener Bereiche, in denen wir dringend eine Reduzierung der CO2-Treibhausgase brauchen. Wir brauchen eine Verlagerung des Individualverkehrs im Auto auf emissionsfreie Verkehrsarten. Rad- und Fußverkehr produzieren keine Emissionen. Radschnellwege sind eine ideale Verbindung für Pendlerstrecken - auch wenn Beschäftigte länger als zwei, drei Kilometer Weg zur Arbeit haben. Dafür benötigen wir eine Infrastruktur, auf der man zügig unterwegs sein kann. So lassen sich Menschen zum Umsteigen bewegen.

Wie kompliziert ist es, in der dicht besiedelten Metropolregion Rhein-Neckar als Pilotprojekt den Radschnellweg Mannheim-Heidelberg zu realisieren?

Zimmer: Kompliziert ist es aufgrund der unterschiedlichen beteiligten Kommunen - Mannheim, Ilvesheim, Edingen-Neckarhausen, Ladenburg, Heidelberg. Aber alle ziehen an einem Strang. Das ist sicher eine Frucht der Zusammenarbeit als Metropolregion. Die Schwierigkeit liegt trotzdem darin, eine Trasse zu finden, mit der ich eine möglichst gute Verbindung von Mannheim nach Heidelberg habe, die gleichzeitig aber die Kommunen auf dem Weg möglichst direkt anbindet, damit der Radschnellweg auch stark genutzt wird. Gleichzeitig soll es eine Trasse sein, die in überschaubarer Zeit gebaut werden kann. Und dann sollen natürlich die Menschen vor Ort mitgenommen werden, die Veränderungen erleben werden. Da werden eventuell Parkplätze wegfallen, da werden Wege anders geschnitten, da verändert sich die Optik, und an der einen oder anderen Stelle wird eventuell auch ein Baum gefällt werden müssen.

Wird der Radschnellweg in einem Stück gebaut?

Zimmer: Wir wollen nicht warten, bis alle Detailfragen geklärt sind. Unser Ziel ist es, erste Stücke bis 2023 zu bauen. Dann haben wir schon einmal vier, fünf Kilometer, die befahren werden können. Und dann dauert es vielleicht weitere zwei Jahre, bis Anschlussstücke gebaut sind.

Welche Bereiche werden das sein?

Zimmer: Die Teilstücke, die zuerst fertiggestellt und befahren werden können, sind die, die ohne großen planerischen Aufwand wie ein Planfeststellungsverfahren umgewidmet werden können - vermutlich eher Abschnitte, die zentrumsnah in Mannheim oder Heidelberg liegen. Dort werden dann Straßen zu Fahrradstraßen umgewidmet. Das ist zwar ein abgemilderter Radschnellweg-Standard, er ist aber recht schnell etwa durch neue Markierungen zu realisieren und kann später leicht ein Upgrade erhalten. In Mannheim-Feudenheim gibt es das zum Beispiel. Bei einer Gesamt-Streckenlänge von 24,3 Kilometern werden es vermutlich eher weniger Menschen sein, die die ganze Strecke durchpendeln. Insgesamt gehen wir von einem Potenzial von mehr als 3100 Menschen aus. Wer sich einen Eindruck von der Strecke verschaffen möchte, kann sich auch auf unserer Homepage ein Video anschauen: Da wird die Strecke mit Drohnen überflogen, um das schon erlebbar zu machen.

Es gibt Knackpunkte, etwa die Passage am Neckarkanal in Ilvesheim oder ein Bereich des Buga-Geländes. Wie gehen Sie damit um?

Zimmer: In Essen und Mülheim an der Ruhr haben wir gerade auch Berichte davon gehört, dass Anwohnerinnen und Anwohner Kritik formulierten und keinen Radschnellweg vor ihrem Grundstück wollten. Im Ruhrgebiet ist es aber auch durch Gespräche gelungen, die Menschen mitzunehmen. Unser Projekt hat in den vergangenen zwei, drei Jahren schon einige Schleifen gedreht. Aber das ist auch wichtig - etwa, um das Wissen vor Ort mitzunehmen. Das geschieht in lokalen Gesprächsrunden. Die Planung muss sehr transparent und offen sein.

Wer soll den Radschnellweg nutzen?

Zimmer: Wir haben an den Beispielen in den Niederlanden und im Ruhrgebiet gesehen, dass ein Radschnellweg keine Rennstrecke ist. Man muss sich daher nicht vor „Kampfradlern“ sorgen, die nur auf den Asphalt schauen und mit 40 Stundenkilometern „durchbrausen“. Der Weg ist vor allem für Pendlerinnen und Pendler gedacht, die zügig vorankommen wollen - aber es geht auch um gegenseitige Rücksichtnahme. Wir haben bisher noch wenig Erfahrung damit, wie so ein Radschnellweg funktioniert. Mein Eindruck ist, dass die Menschen nun darauf warten, dass wir die Radschnellwege bauen. Ich höre das ganz oft: „Wann ist er endlich fertig?“. Es ist die Mobilität der Zukunft.

Was kostet der Radschnellweg Heidelberg-Mannheim - und wer bezahlt ihn?

Zimmer: Er wird nach aktuellem Stand rund 48 Millionen Euro kosten. Dieser Radschnellweg wird in Baulast des Landes eingerichtet. Das bedeutet, das Land übernimmt die Kosten für jene Strecken, die außerhalb der Kommunen liegen. Und kommunale Baulast bedeutet nicht, dass die Kommunen die Kosten alleine tragen müssen - sie bekommen von Bund und Land bis zu 90 Prozent Förderung.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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