Rhein-Neckar - Besitzer sorgen sich um ihre Vierbeiner / Polizei und Tierschutzorganisation sehen keinen Anlass zur Hysterie

Rätselraten um vermisste Katzen

Von 
Julian Eistetter
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Unter Katzenbesitzern machen Gerüchte die Runde, wonach Vierbeiner nachts auf der Straße – hier ein Symbolbild – von Tierquälern eingefangen werden. © dpa

Rhein-Neckar. Bei Katzenbesitzern im Rhein-Neckar-Kreis geht die Angst um. Verschiedenen Medienberichten zufolge verschwinden rund um die Gemeinden Leimen, Nußloch und Sandhausen in den vergangenen Monaten massenhaft Stubentiger. Vereinzelt sind Vierbeiner tot aufgefunden worden. Gerüchte von psychopathischen Tierquälern und ominösen Versuchslaboren machen die Runde. Viele Anwohner lassen ihre Tiere aus Sorge nicht mehr vor die Tür.

Zahlen und Fälle

  • Die Tierschutzorganisation Tasso mit Sitz in Sulzbach (Taunus) betreibt eigenen Angaben zufolge das größte Haustierregister in Europa.
  • Halter können ihr Tier registrieren lassen, damit es identifiziert werden kann, wenn es verloren geht und wiedergefunden wird. Genauso können Menschen ihre Vierbeiner bei Tasso auch als vermisst melden. Die Organisation veröffentlicht dann einen Hinweis auf ihrer Webseite.
  • Für die Gemeinden Leimen (39), Nußloch (28) und Sandhausen (31) waren Stand 15. Dezember insgesamt 98 Katzen als vermisst gemeldet. Nach Angaben von Tasso ist das im Verhältnis zur Größe der Orte kein außergewöhnlich hoher Wert.
  • In der Region gab es in der jüngeren Vergangenheit einige Fälle von Katzenquälerei: In Nußloch mussten Anfang 2017 drei Tiere eingeschläfert werden, da sie von einem Unbekannten mit Bitumen überschüttet wurden. In Leimen wurde im Oktober ein Hauskater mit aufgeschlitzter Kehle am Friedhof gefunden.

So etwa Ralf Stürmer aus Sandhausen. Sein Kater verschwand im vergangenen Mai. Der Freigänger war am ersten Tag nach einem Umzug nicht nach Hause zurückgekommen. Ihre andere Katze musste die Familie völlig verstört draußen einfangen. Für Stürmer liegt der Verdacht nahe, dass sie etwas beobachtet hat. „Natürlich besteht ein gewisses Grundrisiko, wenn man die Tiere rauslässt“, sagt er. „Aber wenn so viele Katzen verschwinden, ist das schon ungewöhnlich.“ Er habe von einem Mann aus Leimen gehört, der vor gewisser Zeit Katzen „regelrecht abgemetzelt“ habe. „Er soll unter Beobachtung stehen, aber man macht sich natürlich seine Gedanken“, sagt er. „Und wieso sollte es nicht noch mehr dieser Leute geben?“

Zahlen nicht ungewöhnlich hoch

Beim zuständigen Polizeipräsidium in Mannheim möchte man sich nicht an Spekulationen beteiligen. „Fakt ist, dass seit das Thema in den Medien ist, keine Anzeigen bei uns eingegangen sind“, sagt Sprecher Dieter Klumpp. Zwar sei der Polizei aus der Vergangenheit der eine oder andere Fall bekannt, die aktuelle Hysterie lasse sich aber durch nichts belegen. „Ich kann die Menschen gut verstehen, es ist natürlich bitter, wenn ein Tier, das im Haushalt mitgelebt hat, plötzlich verschwindet“, sagt Klumpp. „Die Verschwörungstheorien erscheinen mir aber doch zum Teil sehr nebulös.“

Keine rechte Erklärung für die aktuelle Angst-Debatte im Rhein-Neckar-Kreis hat auch die Tierschutzorganisation Tasso, die eigenen Angaben zufolge Europas größtes Haustierregister führt. Bei dem Verein mit Sitz in Sulzbach können Besitzer ihre Tiere vermisst melden. „Das Thema der verschwindenden Katzen rund um Leimen poppte bei uns im Dezember auf“, sagt Pressesprecherin Laura Simon auf Anfrage. Aus diesem Anlass habe man die Zahlen speziell für die drei Orte Leimen, Sandhausen und Nußloch erhoben. Bis zum 15. Dezember seien es 98 verschwundene Tiere gewesen. „Im Vergleich zu ähnlich großen Gemeinden werden dort nicht deutlich mehr Katzen vermisst“, so Simon.

Die Mythen um das Verschwinden von Katzen kennt auch sie. Von weißen Lieferwagen, die nachts durch die Ortschaften fahren, um Ausschau nach Miezen zu halten. Von dunkel gekleideten Männern, die Mülltonnen nach Verpackungen für Katzenfutter durchsuchen. Von Versuchslaboren, in denen grausige Experimente an eingefangenen Vierbeinern durchgeführt werden. „Da ist jede Menge Aberglaube dabei“, sagt Simon. „Katzen für Tierversuche müssen mittlerweile in bestimmten Anlagen gezüchtet werden. Gewöhnliche Hauskatzen sind dafür unbrauchbar“, erklärt sie.

Grausige Einzelfälle

Wenn ein Tier verschwinde, würden Besitzer schnell davon ausgehen, dass es gestohlen wurde. „Dabei gibt es dafür unzählige Gründe“, so Simon. So würden vor allem Katzen häufig versehentlich irgendwo eingesperrt – in Kellern oder Garagen. „Sehr viele Katzen werden zudem überfahren“, sagt die Tasso-Sprecherin. Gerade nach Umzügen seien die Tiere auch oft nicht mehr orientiert und würden sich verlaufen. „Dass es aber vereinzelt Katzenhasser gibt, steht außer Frage.“

Genau von so einem, davon ist Sabrina Winter überzeugt, wurde ihr Kater Toni umgebracht. Am Abend des 4. Oktober verschwand das Tier aus der Küche einer Kellergeschosswohnung in Leimen. Durch das Katzengitter am Fenster zog sich ein gerader Riss. Für Winter ist klar: „Dass kann nicht Toni selbst gewesen sein.“ Zwei Tage später wurde die Hauskatze von einem Jogger tot in der Nähe des Friedhofs gefunden – mit aufgeschlitzter Kehle. „Das war ein schlimmer Tag“, sagt Winter.

Es sind solche grausigen Einzelfälle, die Katzenbesitzer wie Ralf Stürmer alarmieren. Mittlerweile hat er sich eine neue Katze zugelegt. Nach draußen lässt er diese aber nicht mehr, nach allem, was geschehen ist. „Die bleibt oben im Dachgeschoss“, sagt er. Die Hoffnung, dass sein Kater wieder auftaucht, hat Stürmer mittlerweile aufgegeben. Was mit dem Tier passiert ist, das wird er wohl nie erfahren.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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