Porträt - Heidelberger Physiker hat Messtechniken entwickelt, die über Standfestigkeiten informieren / Einsätze in aller Welt

Heidelberger Physiker macht "Innenleben" der Bäume sichtbar

Von 
Jasper Rothfels
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Bei einer Bohrwiderstandsmessung gewinnt Frank Rinn Erkenntnisse über die Jahresringe, den Zuwachs und die Fäule im Baum. © Jasper Rothfels

Heidelberg/Rhein-Neckar. Aufmerksam betrachtet Frank Rinn die große alte Eiche in einem Wormser Privatgarten. Am Stamm klafft in etwa drei Meter Höhe eine große faule Stelle, um die herum Pilze wachsen. Der Baum sei „an der Kante“, sagt Rinn. „Ein normaler Baumpfleger würde sofort die Kettensäge ansetzen und den fällen.“ Die Eigentümer wollen aber prüfen lassen, ob die Eiche, die vor Jahren vom Blitz getroffen wurde und nur noch ein Drittel ihrer alten Größe hat, erhalten werden kann. Deshalb ist Rinn hier, ein Experte für „schwierige Bäume“. Der Physiker aus Heidelberg hat Messtechniken entwickelt, mit denen sich das „Innenleben“ von Bäumen sichtbar machen und eine Aussage zu Standfestigkeit und Vitalität treffen lässt. Diese Kenntnisse haben ihn nach eigenen Angaben schon zu Bäumen der „Queen“ bei Schloss Windsor geführt, in den Privatpark des norwegischen Königshauses und auf den Ehrenfriedhof der kommunistischen Partei in Peking.

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Frank Rinn macht „Innenleben“ der Bäume sichbar

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Schallsensoren geben Aufschluss

In Worms wird der 58-Jährige für einen Baumpfleger aktiv, den die Eigentümer der Eiche beauftragt haben. Zusammen mit Mitarbeiter Johannes Niebel befestigt Rinn in etwa 15 Zentimeter Höhe rund um den Stamm 20 kleine Kästchen: Sensoren, die per Kabel verbunden sind. Dann schlägt Niebel mit einem Hammer auf die Sensoren, während Rinn vor einem Laptop sitzt, dessen Bildschirm sich mit per Bluetooth übermittelten Messwerten füllt. Sie zeigen, wie lange der Schall vom „geschlagenen“ Sensor zu den anderen Geräten braucht. „Wenn das Holz zwischen zwei Sensoren gut ist, dann ist der Schall schnell, wenn es geschädigt ist, weil eine Fäule drinsteckt oder Risse drin sind, dann muss der Schall Umwege machen und ist damit quasi langsamer“, sagt er. Dann „bastelt“ das Programm aus den Werten ein Bild vom Querschnitt des Stammes, außen Grün für intaktes Holz, in der Mitte zeigen sich aber große rote Flecken. „Grün ist gut, rot ist schlecht“, sagt Rinn. Da gibt es leichte Schäden.

Mit einer solchen „Schall-Laufzeit-Messung“ finden beide auch heraus, dass die Wurzeln insgesamt etwa 70 Quadratmeter „überstreichen“, was ausreiche. Als mit den Sensoren in der Höhe nahe der Fäule gemessen wird, zeigt sich ein schlechtes Bild: Nur zwei Randbereiche des Stammes leuchten grün, dazwischen ist es rot: Fäule. Der Baum könne – wenn er vom Wind gedreht oder gebogen werde – brechen, warnt Rinn. In der Stadt müsste ein solcher Baum sicherheitshalber gefällt werden. Eine per Spezialgerät ausgeführte „Bohrwiderstandsmessung“, die Erkenntnisse über die Jahresringe und den Zuwachs sowie die Ausbreitungstendenz der Fäule liefert, zeigt zudem, dass die Pilze die „Abschottung“ des gesunden Holzes bereits durchbrochen haben. Künftig solle der Baumpfleger die Eiche jährlich ansehen, bei Verdacht müsse erneut gemessen werden, rät Rinn. Ferdinand Keil von der Eigentümerfamilie sagt, man versuche, den Baum zu erhalten, so lang es gehe.

35 Jahre Erfahrung

  • Frank Rinn ist ein Heidelberger Baum- und Holzexperte sowie Unternehmer (Rinntech-Metriwerk GmbH & Co. KG) mit hessischen Wurzeln.
  • Einige Erkenntnisse aus seiner bislang 35-jährigen Tätigkeit: Bis vor wenigen Jahren seien viele Kronen alter Bäume aus Angst vor der Windlast stark verkleinert worden, doch das sei einerseits meist nicht nötig und fördere andererseits sogar den Pilzbefall, schade also den Bäumen – und mache die Pflege teurer.
  • Ansonsten werde – etwa beim Bauen – inzwischen mehr Rücksicht auf Bäume genommen, was er begrüßt.
  • Sein Motto sei, Bäume so lange wie möglich zu erhalten. „Jeder Baum zählt, nicht nur fürs Klima, sondern vor allem auch für die Biodiversität, von der wir alle ebenso abhängen.“

Mit der Bohrwiderstandsmessung und der Schalltomographie habe er die „beiden ersten und mittlerweile weltweit wichtigsten, quasi zerstörungsfreien technischen Untersuchungsverfahren für Bäume“ erfunden, so der mehrfach ausgezeichnete Rinn. Zwar gebe es inzwischen auch andere Anbieter, „aber Rinntech hat weiterhin die Spitzenstellung“, sagt der Freiburger Professor für Forstbotanik, Siegfried Fink. Man sei „sehr zufrieden“ mit den Geräten. Bei der Bohrwiderstandsmessung entstehe allerdings ein kleines Loch, „was zu Infektionen führen könnte und deshalb gelegentlich kritisiert wird“. Der Freiburger Professor für Waldwachstum, Thomas Seifert, sagt, Rinns Firma sei „eine feste Größe“ in Europa, „wenn es um solche Messgeräte geht“.

Rinn verkauft die Technik, mit der er nach eigenen Angaben schon Tausende Bäume untersucht hat, an Baumsachverständige weltweit. Er selbst sei bereits in etwa 40 Ländern tätig gewesen und habe Tausende Fachleute geschult. Viele davon in Russland und China, das massiv aufforste und wo er den größten Teil seiner Geräte absetze. „Gerade in diesen Ländern bewegt sich viel“, sagt er mit Blick auf die Forstpraxis, die politische Lage will er dagegen nicht bewerten. Er arbeitet auch für verschiedene Kommunen und Universitäten sowie als Gutachter für Gerichte.

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