Heidelberg. Nach langen Monaten des Wartens und des immer neuen Ausfüllens diverser Formulare dauert es jetzt nur wenige Sekunden: Mit ihrer Unterschrift gibt Diana Ayrancioglu einen Teil ihrer bisherigen Identität ab. Im Arbeitszimmer von Bürgermeister Wolfgang Erichson setzt die 25-Jährige ihren Namen unter die dunkelgrüne Einbürgerungsurkunde mit dem Bundesadler, die der für Integration zuständige Dezernatschef vor ihr auf den Tisch gelegt hat. Es ist das fünfhundertste Dokument dieser Art, dass seine Behörde verlässt.
Einbürgerungen in Heidelberg
- Die Schlossstadt am Neckar hat in diesem Jahr einen Rekord aufgestellt: Bereits 539 Menschen sind 2019 eingebürgert worden.
- Im Vorjahr waren es 367 Menschen, 2017 unterschrieben 468 Personen die Einbürgerungsurkunde, 2016 waren es noch 444.
- Die hohen Einbürgerungszahlen sind nach Angaben der Stadt Heidelberg weiterhin vor allem auf den Brexit zurückzuführen: In diesem Jahr haben 112 Briten die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, 103 wurden eingebürgert.
- Bis zum geplanten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist es für Briten relativ einfach, innerhalb der „EU-Familie“ einen deutschen Pass zu erhalten. Dies ändert sich mit dem Brexit.
- In Heidelberg leben rund 56 000 Menschen mit einem Migrationshintergrund.
- Im Zuge ihrer Integrationspolitik misst die Stadt Heidelberg nach eigenen Angaben der Einbürgerung neuer deutscher Staatsbürger einen hohen Stellenwert bei. bjz
Mittlerweile liegt die Zahl der bestätigten Einbürgerungsanträge bei 539, deutlich mehr als die 367 des vergangenen Jahres. „So viele hatten wir seit neunzehn Jahren nicht mehr“, erinnert sich die Leiterin der Einbürgerungsbehörde, Birgit Huber. Ihr pflichtet Carola de Wit als Leiterin der Abteilung für Zuwanderungsrecht bei. Vor allem Briten würden vor dem Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union noch schnell den deutschen Pass anstreben. Von 112 Anträgen wurden bisher 102 bewilligt.
Eine noch größere Gruppe von Einbürgerungswilligen bildeten Türken, zu denen bisher auch Diana Ayrancioglu gehört. Sie kam in Mersin an der Mittelmeerküste zur Welt. Als Siebenjährige zog sie mit ihren Eltern 2001 erst nach Karlsruhe, ehe die Familie ihren Wohnsitz nach Pforzheim verlegte. Dort verbrachte Diana Ayrancioglu ihre Schulzeit und machte das Abitur. Nun studiert sie Ethnologie und Germanistik mit dem Abschluss Bachelor an der Heidelberger Universität. Sie wohnt in Kirchheim in einer WG. „Ich liebe Goethe“, begründet sie die Wahl ihrer Fächer. Mittlerweile fühle sie sich nicht nur als Deutsche, sondern schon als Heidelbergerin. „Der Neckar im Sommer und die Schlossbeleuchtung sind wirklich schön“, sagt sie.
Nun muss sie innerhalb von sechs Monaten zum Generalkonsulat in Karlsruhe, um dort ihren bisherigen Ausweis abzugeben. Mit dem deutschen Pass erhält Diana Ayrancioglu neue Rechte und Pflichten, die sie zu schätzen weiß. „Für mich ist der neue Ausweis mehr als nur ein Pass, denn Meinungs- und Reisefreiheit bedeuten mir sehr viel“, versichert sie. Was man auf den ersten Blick als Floskel abtun könnte, füllt Diana Ayrancioglu jedoch mit persönlichen Erfahrungen. „Meine Mutter riet mir bisher, mich bei Facebook mit Kommentaren zur Türkei zurückzuhalten“, beschreibt sie. Ihre Freundin Nicole Höfer, die der Zeremonie beiwohnt, denkt auch an eine gemeinsame Urlaubsreise nach Dubai zurück. Beim Antritt der Reise hatten beide am Flughafen in getrennten Schlangen warten müssen. Davor hatte Diana Ayrancioglu auch erst ein teures Visum mühsam beantragen müssen. Diese Prozeduren sind nun Vergangenheit. Feierlich verspricht sie, als Deutsche künftig das Grundgesetz zu achten.
Ohne große Diskussionen
Eine starke emotionale Verbindung zu ihrem Geburtsland habe sie nicht, betont die 25-Jährige. „Ein paar Freunde leben in Antakya, aber ich war seit drei Jahren nicht mehr dort“, erzählt sie. Über ihre Entscheidung habe es in ihrem privaten Umfeld auch keine längeren Diskussionen gegeben, zumal ihre Eltern und ihre ältere Schwester bereits die deutsche Staatsbürgerschaft besäßen.
Er freue sich über jede Einbürgerungsurkunde, die er unterschreiben dürfe, unterstreicht Bürgermeister Wolfgang Erichson am Ende des Verwaltungsaktes: „Diese Leute wollen hier leben, arbeiten und sich einbringen. Deshalb sind sie ein Gewinn für unser Land“, meint er anerkennend. Wenn die Zuwanderungsbehörde diesem Wunsch entgegenkomme, verbänden die Antragsteller damit etwas Positives.