Edingen - Pestalozzi-Grundschüler treten mit Demo für mehr weltweiten Klimaschutz ein / 30 Kinder während rund 90-minütiger Aktion von Schule beurlaubt

Kleiner Streik für große Ziele

Von 
Anja Görlitz
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© Marcus Schwetasch

Der Protestzug zum Edinger Rathaus ist von weitem zu hören: „Wir sind klein, aber laut, weil man uns die Zukunft klaut“, rufen die 30 Grundschüler der Pestalozzischule. Begleitet von rund einem Dutzend Eltern oder Großeltern, tragen sie stolz ihre Plakate vor sich her. „Es gibt keinen 2. Planeten“, oder „Die Welt ist schön, aber CO2 nicht so“, ist darauf zu lesen. Der Schulstreik „Fridays for future“, mit dem sich Jugendliche für den weltweiten Klimaschutz stark machen, ist gestern Vormittag in Edingen angekommen. Bei Grundschülern. Sogar ein Fernsehteam interessiert das. Die Kinder sind Feuer und Flamme.

Auch Bürgermeister Simon Michler hört die Rufe und kommt nach unten. Eifrig berichten ihm die Schüler, was sie selbst fürs Klima tun: „Auto stehenlassen“, „keine Plastiktüten benutzen“ oder „Müll nicht in die Umwelt werfen“. „Habt ihr ganz toll gemacht“, lobt Michler. Vor der Presse erklärt er: „Das Signal ist angekommen, dass sie zwar noch jung sind, aber auch in 50 Jahren hier gesund und gut leben möchten.“ Dass die Schule bei allem Engagement nicht vernachlässigt wird, sei ihm aber wichtig. Da gestern der Unterricht ansonsten normal lief, findet er die „Ausnahme für den guten Zweck“ aber in Ordnung.

Dieser wollte sich auch die Schulleitung nicht verschließen, wie Rektorin Renate Wacker auf „MM“-Nachfrage erklärt. „Die Eltern haben für die Kinder eine Beurlaubung beantragt, dieser haben wir stattgegeben.“ Auch im Unterricht beschäftigten sich die Kinder mit den Themen Umwelt und Nachhaltigkeit, von der Mülltrennung bis zum Energiesparen: „ Die Schüler sind da sensibilisiert“, versichert sie. Als vor einigen Jahren vor der Schule Bäume für den Neubau der Martin-Luther-Kita gefällt wurden, habe das die Kinder auch so sehr beschäftigt, dass sie einen Brief an den Bürgermeister schrieben. Später durften sie bei der Pflanzung neuer Bäume dabei sein. „Die Kinder haben also gesehen: Wenn sie sich kümmern, können sie etwas bewirken.“

Das will auch der siebenjährige Pilib aus der zweiten Klasse. „Weil mir die Tiere wichtig sind“, ist er an diesem Tag dabei: „Die sterben von den Abgasen. Und die Eisberge schmelzen und dann werden vielleicht Inseln überschwemmt“, zeigt sich der Sohn des örtlichen NABU-Chefs Stefan Brendel kenntnisreich. „Ihr zerstört, was allen gehört“, hat Noemi (9) auf ihr Schild gemalt. „Ich finde es wichtig, dass die Erde auch in Zukunft noch so besteht“, sagt sie. Und dass im Mittelgewann keine Häuser gebaut werden sollten, „weil die werden wahrscheinlich teuer vermietet“. Das lokale Beispiel hat sie durch das Engagement ihres Papas mitbekommen, verrät sie. Der habe ihr am Morgen auch noch von Greta Thunberg erzählt.

Elternbeiratsvorsitzender Roland Schwarz, der die Aktion mit weiteren Eltern organisiert hat, betont: „Die Initiative ist von den Kindern ausgegangen.“ Mit dem ganz konkreten Wunsch, auch demonstrieren zu dürfen, sei etwa seine Tochter Johanna (9) mit zwei Freundinnen auf ihn zugekommen. Anderen Eltern sei es ähnlich gegangen.

„Kinder nicht instrumentalisiert“

Den Verdacht, hier könnten ahnungslose Kinder für die Anliegen ihrer Eltern instrumentalisiert worden sein, will er klar ausräumen. „Es war umgekehrt!“, sagt er: „Die Kinder haben die Erwachsenen instrumentalisiert, damit sie diesen Lauf bilden können.“ Immerhin mussten die Eltern das Organisatorische erledigen, vom Anmelden der Demo bis zur Regelung der Aufsicht. „Jedes Kind ist entschuldigt und hat das Einverständnis seiner Eltern, dass es von anderen Erwachsenen begleitet wird“, unterstreicht Schwarz, der die Aktion gern unterstützt. „In den Leitperspektiven zum Bildungsplan ist überall von demokratischem Verständnis und eigenverantwortlichem Handeln die Rede: Ich finde, diese Demo läuft darunter.“

Während die Kinder warten, dass es wieder zurück zur Schule geht, malen sie bunte Bilder aufs Pflaster. Sonnen sind da zu erkennen, mit etwas Fantasie auch Wasser, vielleicht eine Erdkugel. Luise (9) malt Blumen, die die Köpfe hängen lassen: „Weil sie traurig sind.“

Info: Fotostrecke unter morgenweb.de/edingen

Redaktion Redakteurin Neckar-Bergstraße

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