Edingen-Neckarhausen - UBL-Fraktion im Gemeinderat will rechtzeitig Alternativen zur Markthaus-Filiale prüfen lassen

Kann App oder Dorfladen das Markthaus ersetzen?

Von 
Hans-Jürgen Emmerich
Lesedauer: 
Die Zukunft der Markthaus-Filiale in Neckarhausen ist weiter ungewiss. Wenn die Finanzhilfe der Kommune in zwei Jahren ausläuft, dann sollte die Gemeinde auch Alternativen in der Hinterhand haben, findet die UBL. © Schwetasch

Mit einem Zuschuss von 25 000 Euro in diesem und im kommenden Jahr hat die Gemeinde Edingen-Neckarhausen den Bestand der Markthaus-Filiale in Neckarhausen fürs Erste gesichert. Ob und wie es danach weitergeht, ist derzeit offen.

Markthaus und mögliche Alternativen

  • Die Markthaus-Filiale in Neckarhausen (rund 7000 Einwohner) eröffnete im November 2010 als Bonus-Markt in Form eines Sozial- und Integrationsbetriebes.
  • Der Dorfladen in Bensheim-Hochstädten (700 Einwohner) ist rein genossenschaftlich finanziert und in einer ehemaligen Werkskantine entstanden. Er läuft seit Juni 2018.
  • In der Kraichgau-Gemeinde Spechbach (1700 Einwohner) läuft gerade das Pilotprojekt „Emmas.app“. Per Anwendung auf dem Mobiltelefon können Kunden regionale Produkte bestellen und sich ins Haus liefern lassen.
  • In der Gemeinde Altengottern (1100 Einwohner) in Thüringen hat Anfang des Jahres ein 24-Stunden-Markt ohne Personal eröffnet. Er führt rund 1000 Artikel, die registrierten Kunden bezahlen mit dem Handy.

Kurz vor Weihnachten hatte die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG in Mannheim eine komplette Übernahme des insolventen Unternehmens durch ihre Tochterfirma Service Haus GmbH in Aussicht gestellt (der „MM“ berichtete). Das ist auch der aktuelle Stand, den Edingen-Neckarhausens Wirtschaftsförderin Thea-Patricia Arras auf Anfrage mitteilt. Der Beschluss des Gemeinderates sei für die Zukunft der Filiale sehr hilfreich gewesen, zitiert sie aus einem Gespräch mit dem Insolvenzverwalter.

Doch was passiert, wenn es nach Ablauf der nächsten zwei Jahre doch nicht weitergeht? Diese Sorge treibt auch die örtliche Unabhängige Bürgerliste (UBL-FDP/FWV) um. Sie hat deshalb jetzt einen Antrag im Gemeinderat angekündigt. Danach sollen sich das Gremium und die Verwaltung „über alternative Betriebsformen zum bestehenden Markthaus“ informieren, und zwar für den Fall, „dass dieses in der derzeitigen Form und Trägerschaft nicht fortgeführt werden kann“.

„Suche vorsorglich“

Zur Begründung schreibt die UBL, dem Lebensmitteleinzelhandel im Zentrum von Neckarhausen komme eine hohe sozialpolitische Bedeutung zu: „Für Einwohner mit Mobilitätseinschränkungen ist ein Lebensmittelgeschäft die einzige Möglichkeit für Selbstversorgung durch innerörtlichen Einkauf ohne Hilfe Dritter.“ Das Markthaus sei hierfür gut geeignet, dessen Zukunft jedoch ungewiss.

Rein vorsorglich müsse deshalb zeitnah geprüft werden, ob und welche alternativen Betriebsformen im Falle einer Schließung eine zeitnahe Ersatzfunktion übernehmen können, „ehe sich der Markt verläuft“. Deshalb will die UBL nach eigenen Angaben, dass in einer Sitzung vor der Sommerpause Betreiber funktionierender Dorfladen-Genossenschaften und Vertreter des Landratsamtes zum kreiseigenen Modellprojekt „Emmas App“ (Spechbach) berichten. So könne man auf kurzfristige Veränderungen „angemessen, frühzeitig und zielführend reagieren“.

Erfolgreiche Genossenschaft

In der Kraichgau-Gemeinde Spechbach (1700 Einwohner) war das Pilotprojekt gestartet worden, nachdem die letzte Metzgerei im Ort geschlossen hatte. Mit einer App auf dem Smartphone können die Bürger Lebensmittel bestellen, die ihnen dann ins Haus geliefert werden. Insgesamt sind nach Angaben des Landratsamtes derzeit 320 Nutzer registriert. 32 Produktanbieter beteiligen sich. Bestellt werden können 1245 Produkte. Der Kreis unterstützt das Projekt nur personell, bei der technischen Entwicklung ist die Universität Mannheim federführend, die dafür Fördermittel des Bundeswirtschaftsministeriums erhält. Die Gemeinde Spechbach werden vom Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz unterstützt.

Auf ein rein genossenschaftliches Modell setzt man dagegen im südhessischen Hochstädten, ein ländlicher Stadtteil von Bensheim mit rund 700 Einwohnern. Dort wurde im Juni 2018 ein Dorfladen eröffnet, nachdem 160 Genossen jeweils mindestens einen Anteil für 250 Euro erworben hatten und auf diese Weise ein Grundkapital von 70 000 Euro zur Verfügung stellten. Alle Eigner mussten sich auf zwölf Jahre binden, die kleine GmbH arbeitet nicht gewinnorientiert. „Wir haben eine gute Mannschaft, die mit Herzblut dabei ist“, berichtet der Geschäftsführer Andreas Klemm. Der Laden und das angegliederte Café beschäftigt vier feste Mitarbeiter (zwei Vollzeit, zwei Teilzeit) und zehn Aushilfen. „Wir sind noch nicht in den schwarzen Zahlen, werden das aber bald sein“, sagt Klemm. Auch Ortsvorsteher Bernhard Rettig freut sich über diesen Erfolg.

Regionale Produkte

Die Frequenz der Kunden steige stetig, berichtet Klemm. Iim Februar habe es ein Umsatzplus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gegeben. Er führt das unter anderem auf die regionalen Produkte zurück. „So etwas schüttelt man nicht einfach aus dem Handgelenk“, warnt er vor voreiligen Entscheidungen für dieses Modell. Interesse daran gibt es gleichwohl. „Kürzlich war eine Delegation aus Altenbach hier“, erzählt er. Der Schriesheimer Stadtteil ist nach der Schließung des letzten Lebensmittelladens ebenfalls auf der Suche nach Alternativen.

Redaktion Aus Leidenschaft Lokalredakteur seit 1990, beim Mannheimer Morgen seit 2000.

Mehr zum Thema

Kommunalpolitik Bürgermeister Michler dankt in Edingen-Neckarhausen vorzeitig ab

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Kommunalpolitik Nach Michlers Rückzug hofft Edingen-Neckarhausen auf Neuanfang

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Neckar-Bergstraße Jede Menge Ferienspaß

Veröffentlicht
Mehr erfahren