Bürstadt. „Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, macht unsere Arbeit sehr viel Spaß.“ Benedict Pretnar, Heimleiter von St. Elisabeth, sagt das mit großer Überzeugungskraft. Die Caritas als Träger des Altenheims hatte eingeladen, um den neuen Direktor Winfried Hoffmann vorzustellen. Gemeinsam mit Stefanie Rhein hat der Darmstädter Verband seit 1. August wieder eine Doppelspitze. Beherrschendes Thema bei dem Gespräch war allerdings der große Fachkräftemangel in der Pflege – und auch die Gründe dafür.
Noch sind alle Stellen im Bürstädter Altenheim besetzt, berichtet Pretnar. Das werde sich in den kommenden Jahren aber ändern, wenn sich einige Kolleginnen in den Ruhestand verabschieden. In der Sozialstation, die ans Altenheim angeschlossen ist, sieht es bereits jetzt schon problematisch aus. „Wir müssen inzwischen Klienten ablehnen“, berichtet Letisha Junker, Leiterin der Sozialstation. „Und das schmerzt“, sagt sie. Ihr Team sei völlig ausgelastet, noch mehr Menschen zu Hause zu versorgen, kaum möglich. Und neue Fachkräfte zu finden, sei sehr, sehr schwierig. Allerdings habe sie gerade zwei vielversprechende Bewerbungen erhalten – „das ist für uns ein echtes Highlight“, versichert Winfried Hoffmann. Vorstandskollegin Stefanie Rhein bestätigt die Personalnot. Allein bei den Pflegediensten des Caritasverbands Darmstadt fehlten 20 Fachkräfte, plus 15 im ambulanten Bereich.
Was also tun? Die Caritas bezahle ihre Mitarbeiter überdurchschnittlich gut, versichern die beiden Direktoren. „Und wir bilden selbst aus“, betont Heimleiter Pretnar. Trotzdem kommt eine Lücke auf St. Elisabeth zu, die nur schwer zu füllen sei.
Winfried Hoffmann sieht vor allem den Gesetzgeber in der Pflicht: „Wir bekommen nicht nur vorgeschrieben, wie viel Personal wir einstellen müssen, sondern auch, wie viel wir höchstens beschäftigen dürfen.“ Der knappe Personalschlüssel – auch für Pretnar das Hauptproblem der Pflege. Schnell mal eine Schicht übernehmen, einspringen, wenn jemand ausfällt, das stellt das komplette Privatleben auf den Kopf. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wünschen sich vor allem verlässliche Arbeitszeiten“, ist er sicher. Zurzeit liege der Personalschlüssel bei eins zu zehn bis eins zu 15. Der Heimleiter rechnet vor: 35 Stellen, auf drei Schichten verteilt, um 94 Bewohner zu versorgen. „Manchmal sind es die kleinen Dinge: Kurz zu warten, bis ein Bewohner in Ruhe seinen Kaffee am Morgen ausgetrunken hat, ist einfach nicht drin“, schildert er. Der Mann muss aufgescheucht, die Morgentoilette sofort erledigt werden – für keinen der Beteiligten eine schöne Sache.
Zwar seien ab 2023 einige kleinere Verbesserungen vorgesehen – „allerdings brauchen wir den großen Wurf“, fordert Pretnar. Nämlich einen Pflegeschlüssel von höchstens eins zu acht. Damit würde der Beruf auch attraktiver werden. „Unsere Arbeit ist schön – und sehr sinnvoll. Das ist vielen Menschen wichtig“, ist er sich sicher.
Große Veränderungen sind in St. Elisabeth aber bereits jetzt in vollem Gang, verweist Winfried Hoffmann auf den Baulärm, der von draußen bis in den Briebelsaal dringt. Mittlerweile steht der Anbau, zurzeit wird der alte Gebäudeteil renoviert. Dass es künftig nur noch Wohngruppen in St. Elisabeth gibt und keine Doppel- oder Einzelzimmer, ist für ihn nur zeitgemäß. „Der Alltag der Bewohner wird damit familienähnlicher“, lobt Hoffmann.
Dass der Darmstädter Caritasverband so modern aufgestellt sei, sieht der 55-Jährige als großen Vorteil. Aber auch das breite Portfolio, für das er nun zuständig ist, habe ihn gereizt, berichtet der Diplompädagoge und Sozialmanager. Vor 19 Jahren begann er bei der Caritas für die Diözese Speyer in Zweibrücken. Dort leitete er eine Einrichtung der Behindertenhilfe. sbo