Ärztestreik

Bürstädter Ärzte arbeiten am Limit

Medizinerin Elfi Hoffman von der Gemeinschaftspraxis am Jahnplatz in Bürstadt hält den Ärztestreik für sinnvoll. Sie und ihre Kollegen werden allerdings arbeiten, da sie viele Patienten zu versorgen haben.

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Corinna Busalt
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Die Gemeinschaftspraxis am Jahnplatz in Bürstadt unterstützt den Ärzteprotest, wird aber die Praxis am Mittwoch öffnen – aufgrund der vielen Patienten. © Berno Nix

Bürstadt. Alle Infekte sind zurück. Von Erkältungen über heftige Bronchitis bis hin zu richtigen Grippefällen. Das berichtet Ärztin Elfi Hoffmann von der Praxis am Jahnplatz. „Wir haben volles Programm, leider unter dieser angespannten Lage mit dem Hausärztemangel in Bürstadt, und fühlen uns von der Politik im Stich gelassen“, sagt sie. Auf diese schwierige Situation müsse dringend die Aufmerksamkeit gelenkt werden, daher findet sie den landesweiten Aktionstag sinnvoll. Dennoch werde sie sich nicht daran beteiligen.

Die Gemeinschaftspraxis am Jahnplatz gehört dem Verbund GALA – Gesundheitsnetz der Ärzteschaft Lampertheim – an. In der Spargelstadt sollen am Mittwoch, 30. November, die Praxen geschlossen bleiben (wir berichteten), um ein Zeichen zu setzen. Aufgrund der schwierigen Lage hat Hoffmann mit ihren Kollegen Dr. Alfred Döring und Elena Ehnes in Bürstadt jedoch entschieden, die Praxis offen zu lassen.

„Wir arbeiten hier am Limit!“ Drei Praxen gibt es noch in Bürstadt, und das ist einfach zu wenig. Das hat sie mit ihren Kollegen in den Herbstferien festgestellt, als sie noch die Urlaubsvertretung übernehmen mussten. „In dieser Woche konnten wir nur noch eine Notfallversorgung leisten, mehr ging nicht.“ Und was passiert bei Anfragen, ob sie noch neue Patienten aufnehmen? „Natürlich versorgen wir die Leute.“ Aber eben nicht mehr so umfassend, wie sie das als Mediziner möchten. „In Lampertheim ist die Situation besser, die Hausärzte dort können einfacher die Vertretungsregelung organisieren“, sagt Hoffmann.

Ärger mit Medikamenten

Als ob das alles nicht schon genug wäre, „kommt noch die Problematik mit den Apotheken hinzu“, sagt Hoffmann verärgert. Viele Präparate seien nicht lieferbar, dann kämen die Patienten zurück und verlangten nach einem neuen Rezept mit einem anderen Medikament. „Schlimm ist, dass es nicht mal das klassische Penizillin gibt, dabei wollen wir ja gerade kein Breitbandspektrum verordnen wegen der Resistenzen. Aber wenn ich nichts anderes bekomme, muss ich das nehmen“, erklärt die Ärztin. Das sei fatal und liegt ihrer Meinung daran, dass sich die Pharmaindustrie viel zu sehr auf Lieferungen aus Asien verlassen habe – die jetzt ausblieben. „Dort wird billig produziert, und jetzt fehlen hier die Rohstoffe.“ Da kann sie nur den Kopf schütteln. „Wir sind doch in Deutschland und nicht in einem Dritte-Welt-Staat.“

Hausgemacht sei auch das Problem mit den fehlenden Hausärzten. Dass die Politik nicht reagiert, kann Hoffmann nicht fassen. Doch ein Streik würde die Situation in der Praxis am Jahnplatz wieder verschärfen, deswegen komme das nicht in Frage. „Die Grundidee finde ich aber gut: Dass wir auf die vielen Probleme aufmerksam machen.“ Die ambulante Versorgung krankt ihrer Meinung nach an allen Ecken und Enden.

Dass die Quarantäne-Regelung bei Corona nun entschärft wurde, findet Hoffmann übrigens sinnvoll. „Da gab es Menschen, die positiv aber ohne Symptome waren und nicht raus durften – Menschen mit richtiger Grippe aber schon, das ist ja Quatsch.“ Denn die Grippe sei nun mal auch hochansteckend, und es gebe zum Teil schwere Verläufe. „Wer krank ist, soll daheim bleiben – egal wie es heißt.“ Die Patienten mit Infekten kommen bei ihr übrigens erst nach der regulären Sprechstunde in die Praxis. „Wir müssen doch alle anderen schützen und ziehen dann auch Schutzkleidung an, auch wenn der Aufwand größer ist.“ Das wollen sie auch beibehalten, um Übertragungen zu vermeiden.

Dass die Krankheitswelle nun so stark kommt, haben viele Ärzte befürchtet. „Das war abzusehen, wenn fast keiner mehr Maske trägt und alle ihre Kontakte pflegen. Das ist ja auch in Ordnung, wir wollen schließlich unser Leben zurück.“ Zudem ebbe die Coronawelle nun wieder ab. Das bedeutet für Hoffmann auch, weniger zu testen in der Praxis. Wichtiger findet sie, die Patienten zu versorgen – und auch zu impfen. Das hilft ihrer Meinung nach enorm, vor allem gegen die Grippe.

Redaktion Redakteurin des Südhessen Morgen und zuständig für die Ausgabe Bürstadt/Biblis

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