Lesung

Joe Bausch erzählt in der Bibliser Filminsel auch persönliche Geschichten

Der Mediziner, Autor und Schauspieler berichtet über seine schwierige Kindheit und Erfahrungen aus seiner Arbeit als Gefängnisarzt.

Von 
Christine Dirigo
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Biblis. Bereits in Joe Bauschs Kindheit ist angelegt, wie sein Leben verlaufen würde. Davon erfuhr das Publikum in der Bibliser Filminsel bei seinem Auftritt. Eine Lesung war es nicht wirklich, obwohl er seine vier Bücher dabei hatte. Bausch las nur wenige Sätze daraus vor. Vielmehr erzählte er die Geschichten, die er niedergeschrieben hat, und sogar noch eine mehr. Das habe er von seinem Vater, der ein guter Geschichtenerzähler war. Bausch wanderte mit seinem unstillbaren Bewegungsdrang ständig über die Bühne, stand selten still. Das sei symptomatisch für ihn, der immer mehrere Projekte in seinem Leben zeitgleich verfolge und sich nicht festlegen wolle.

Vom Vater mit aller Härte erzogen worden

Aufgewachsen ist der Mediziner und Schauspieler – vielen kennen ihn als den Gerichtsmediziner im Kölner „Tatort“ – in einem kleinen Ort im Westerwald. Schon früh habe er gelernt, dass es Schläge gibt und wurde mit „aller Härte erzogen“. Er trägt den Namen seines Vaters Josef, den Joe nie mochte. Und er sei ein Wunderkind gewesen: nach mehreren Fehlgeburten seiner Mutter. Als er vier war, sollte er aufpassen, dass das Schwein sich nicht auf die frisch geworfenen Ferkel wirft und ist dabei unter der Rotlichtlampe eingeschlafen. Prompt legte sich die Muttersau auf eines und erdrückte es. „‘Du bist zu nichts zu gebrauchen‘, war einer der Sätze vom Vater“, erzählte Bausch.

Seine Tante Res habe in ihm die Neugier auf die Welt geweckt und ihm das Lesen schon vor der Schule beigebracht. Sie hatte damals in den 1950ern Ausgaben des Readers Digest abonniert. Dann schwärmte er von der Begegnung mit den Nonnen und ihrer medizinischen Station. „Dort roch es so ganz anders als bei uns zu Hause, nach Jod, sterilen Tüchern und Desinfektionsmittel. Den Geruch liebe ich immer noch“, so Bausch. Die Empfehlung für das Gymnasium kam von einem Arzt. So sei es kein Wunder gewesen, dass Bausch als erster Akademiker seiner Familie über den Umweg Theaterwissenschaften zur Medizin kam, und über 30 Jahre in der Justizvollzugsanstalt Werl als Anstaltsarzt arbeitete.

Von Mördern und deren Gedanken handelte der erste Teil des Abends. Bausch zeigte sich als amüsanter Erzähler des „True Crime“, berichtete über die Arbeit mit den Drehteams und seine Fernsehreihe „Im Kopf des Verbrechers“. Damit erfreute er den Teil im Publikum, der ihn dafür kennt und liebt. Nach der Pause herrschte eine komplett andere Atmosphäre. Dann ging es in die Tiefen seiner Lebensgeschichte und Bausch war schonungslos ehrlich. Er berichtete von dem Missbrauch durch den älteren Pflegesohn, den seine Eltern in der Familie aufgenommen hatten, genau wie über einen Ausflug ins niederländische Venlo mit Schulkollegen, um dort Material zum Kiffen zu besorgen.

Wissen und Gewissen bestimmen die Biografie

Im Fernsehen trage er einen weißen Kittel, der ihn als Arzt ausweise, damit es nicht zur Verwechslung mit den Verbrechern komme. „Ich hätte mit meiner emotionalen Vernachlässigung in der Kindheit durchaus auf der anderen Seite landen können. Wissen, Gewissen und Verantwortung sind meiner Ansicht nach die Gründe, dass man auf der richtigen Seite landet“, so Bausch.

Das 1953 geborene, früher rothaarige Sonntagskind zeigte sich offen und zugänglich. Und er hatte einen Tipp für alle Frauen: „Wenn Sie erfolgreich morden wollen, machen Sie das alleine und nehmen Sie keinen Mann dazu. Denn nicht umsonst sind die Gefängnisse zu 95 Prozent mit männlichen Tätern voll. Frauen sind die besseren Menschen.“

Freie Autorin

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