Wo sich sonst Gäste ihr Wildragout schmecken lassen, stapeln sich Wahlplakate von Alexander Kohl. „Zu normalen Zeiten ginge das natürlich nicht“, sagt der Landtagskandidat der FDP im Wahlkreis Weinheim und lacht. Wegen Corona ist der „Goldne Hirsch“ in Heiligkreuzsteinach geschlossen. „Familienbetrieb seit 120 Jahren“, wie der 54-Jährige zur Begrüßung erklärt.
Zur Person
Name: Alexander Kohl
Alter: 54 Jahre
Familie: ledig
Ausbildung: Abitur (Wirtschaftsgymnasium Heidelberg), Versicherungsfachmann
Beruf: 1989- 2004 freier Mitarbeiter beim Südwestrundfunk, seit 1999 freier Versicherungsmakler, Fachgebiet Arbeitskraftabsicherung
Politik: seit 1998 FDP-Mitglied, ab 2014 Beisitzer im Kreisvorstand der FDP Rhein-Neckar, seit 2016 deren Vorsitzender; stellv. Vorsitzender Landesfachausschuss (LFA) Sozial- und Gesundheitspolitik der FDP Baden-Württemberg; Mitglied LFA Internationale Politik, Mitgliedschaften in diversen liberalen Vereinigungen
Ehrenamt: stellv. Vorsitzender des Hausvereins der Turnerschaft Ghibellinia zu Heidelberg
Wohnort: Heiligkreuzsteinach
Kontakt: 06220/52 12 53, Mail: kohl@fdp-rhein-neckar.de
Internet: alexander-kohl.eu; facebook.com/alexander.kohl.eu
Heute betreibt Kohls Stiefmutter das Gasthaus. Freitags – „oder wenn Not am Mann ist“ – steht auch der FDP-Kreisvorsitzende hinterm Tresen. Zu „normalen Zeiten“, ohne Corona. Dann trifft sich hier auch gern der örtliche Männergesangverein, dessen Pokale eine große Vitrine füllen. Kohl ist passives Mitglied, die Parteiarbeit lässt dem Kulturfreund nicht mehr die Zeit zum Singen.
Der „Hirsch“ ist Kohls Elternhaus. Als Kind habe er die Kochmütze aufgesetzt, die karierte Hose angezogen: „Kräuterbutter war meine Spezialität.“ Insgesamt sei so ein Betrieb aber eben „nicht vergnügungssteuerpflichtig“. Kohl entschied sich für einen anderen Weg. Nach einigen Semestern Chemie- und Jurastudium machte er eine Ausbildung und wurde Versicherungsmakler. „Freier Makler“, ohne Bindung an die Produkte eines Unternehmens, wie er betont: „Als Liberaler könnte ich gar nicht anders“, sagt er.
Früh an Politik interessiert
Für Politik habe er sich schon als Kind interessiert und viel mit dem Großvater diskutiert. „Ich wollte schon immer gern Dinge tun, etwas verändern.“ In der Schule sei er Klassensprecher gewesen, in der Jungen Union war er auch – „bevor ich meine wahre Berufung als Liberaler gefunden habe“ –, und vor acht Jahren kandidierte er als Bürgermeister seines Heimatorts. Eine große Chance habe er sich nicht ausgerechnet, erzählt er schmunzelnd: „Aber ich konnte ein paar Themen setzen im Wahlkampf.“ Und die Chancen bei der Landtagswahl? „Ich sehe eine realistische Möglichkeit, dass der liberale Kandidat aus dem Wahlkreis Weinheim gewählt wird“, formuliert er und erinnert an Birgit Arnold, Liselotte Schweikert, Hans Freudenberg und Bernhard Scharf, die das auch geschafft hatten.
Seit zehn Jahren ist die FDP nicht mehr mit dem Wahlkreis in Stuttgart vertreten. Jetzt ist Kohl „der liberale Kandidat“, der es schaffen will, auch wenn er selbst nicht im Wahlkreis lebt. Als Kreisvorsitzender ist er gleichwohl auch dort unterwegs, tauscht sich bei den Versammlungen in den Ortsvereinen mit seinen Parteifreunden aus. Die aktuellen Themen kennt er.
Weil er „Wohnungsbau und Ansiedlung von Gewerbe“ zu seinen Anliegen zählt, kommt das Gespräch auf den Gewerbepark in Hirschberg. Den Bürgerentscheid zu dessen Erweiterung sieht er kritisch. Für Gewerbe könne die Lage zwischen Autobahn und Schiene kaum besser sein, findet er. „Ich will auch nicht die ganze Landschaft verbauen“, sagt Kohl: „Aber man muss ebenso die praktische Seite sehen.“ Arbeitsplätze. Zum Thema Wohnraum findet er, Bauen müsste billiger und nachhaltiger werden, „indem nicht alle Nase lang Dinge mit kleinem Wirkungsgrad verändert werden“.
Der Weg von hier zu einem „ur-liberalen“ Lieblingsthema ist nicht weit: Entbürokratisierung, „ein ganz dickes Brett, das gebohrt werden muss“. Zusammen mit der Digitalisierung („in den vergangenen Jahren viel schiefgelaufen“) wolle die FDP diese Aufgabe gern eigenen „Digitalisierungsministerien“ in die Hand geben. Beides gehöre ja zusammen. Sonst ergebe „die Digitalisierung von doofen Prozessen digitale doofe Prozesse“.
Oft falsch eingeschätzt
Wenn Kohl über liberale Politik spricht, springt er gern von einem Gedanken zum nächsten. Als wolle er alles auf einmal loswerden. „Man schätzt die FDP in vielen Dingen falsch ein“, sagt er etwa. Und: „Ich habe Schwierigkeiten damit, dass Leute denken, ich setze mich dafür ein, dass Reiche noch reicher werden.“ Kohl betont, auch Sozialpolitik sei eines seiner Schwerpunktthemen. Eins, das sich zudem durch alle Bereiche ziehe. Was beispielsweise im Umweltschutz passiere, dürfe nicht dazu führen, dass Menschen von Teilhabe ausgeschlossen werden, weil sie Strom oder Benzin kaum noch bezahlen könnten.
Entlastung von Gemeinden
Immer wieder fällt das Stichwort Subsidiarität – eben auch so ein „ur-liberales“ Thema. „Die Kommunen sollten so viel wie möglich selbst entscheiden dürfen “, sagt Kohl dann. Aus seiner Sicht ist da viel Luft nach oben. Auch, was andererseits die Entlastung der Städte und Gemeinden von Ausgaben betrifft, etwa bei Schulsanierungen.
Draußen und im Gastraum wird es dämmrig. Ob das Licht noch für ein Bild mit dem alten Smartphone reicht? Hobbyfotograf Kohl knipst einen Strahler auf einem Stativ an, rund um die Theke wird es sofort taghell. Die Entscheidung fällt dennoch auf ein Draußen-Bild, es geht in den Hirsch-Garten. Bert, der quirlige zweijährige Beagle – nach Kohls Lesart eine „sehr liberale“ weil mit „eigenem Kopf“ ausgestattete Hunderasse – freut sich über den kurzen Ausflug. Wenn Herrchen schon für sonstige Freizeitaktivitäten, etwa in der Studentenverbindung, kaum Zeit hat, hält Bert zumindest eine quasi zwangsweise am Laufen: „Raus in die Natur.“