Gegen Rassismus

Witwe des "schwarzen Kaisers aus Speyer" teilt Schicksalsgeschichte ihres Mannes als Weckruf

Schüler erfahren vom Leben und Leiden des „schwarzen Kaisers“ aus Speyer aus erster Hand: nämlich von dessen Witwe Herta Kaiser-Grimm. Sie berichtet sehr persönlich von Josef Kaiser und wie dieser unter dem Nazi-Regime litt.

Von 
Matthias Nowack
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Die 97-jährige Herta Kaiser-Grimm im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern des Speyerer Kaiserdom-Gymnasiums. © Matthias Nowack

Speyer. Die von Michael Lauter verfasste und illustrierte Geschichte des schwarzen Kaisers aus Speyer ist ein berührendes Buch über einen sehr besonderen Menschen. Bei einer Veranstaltung im Haus Trinitatis haben sich Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums am Kaiserdom damit auseinandergesetzt.

Josef Kaiser zählte zu den etwa 400 Kindern im Rheinland aus Beziehungen deutscher Frauen mit dunkelhäutigen Soldaten aus den französischen Kolonien während der Besatzungszeit nach dem Ersten Weltkrieg. Diese Kinder wurden abschätzig von den Nazis als „Rheinlandbastarde“ bezeichnet.

1921 in Speyer geboren, erlebte Kaiser aufgrund seiner Hautfarbe fortwährend Diskriminierung und Ausgrenzung. Obwohl er in jungen Jahren als Zirkusartist und später als Sportler große Erfolge feierte, wurde ihm die Anerkennung in der Speyerer Gesellschaft verweigert. In der Zeit des Nationalsozialismus musste er um sein Leben fürchten, ist mehrfach aus der Domstadt geflohen und wurde letztlich von den Nazis zwangsweise sterilisiert. Nach dem Krieg heiratete er Herta Grimm aus Speyer, führte eine glückliche Ehe, litt aber bis zu seinem Tod 1991 unter Depressionen aufgrund dieser fortwährenden Ausgrenzung.

Mit viel Einfühlungsvermögen hat Michael Lauter in seinem Buch „Der schwarze Kaiser“ dessen Leben recherchiert und auf beeindruckende Weise nachgezeichnet. Geholfen hat ihm dabei eine erstaunlich umfangreiche Akte der Nazis über Josef Kaiser aus dem Speyerer Landesarchiv.

Bewegende persönliche Einblicke

Lauters bereits 2022 veröffentlichtes Buch war jetzt Anlass eines Gesprächs der heute 97 Jahre alten Frau von Josef Kaiser, Herta Kaiser-Grimm, mit Schülern des Gymnasiums am Kaiserdom in Speyer (GaK), zu dem der Verein Literatur und Musik ins Haus Trinitatis eingeladen hatte. Der betagten Dame war es ein Anliegen, ihre gemeinsame Geschichte mit Josef Kaiser mit jungen Menschen zu teilen und einen Dialog anzustoßen, der uns alle betrifft, gerade mit Blick auf die Erstarkung rechtspopulistischer und rassistischer Tendenzen in Europa.

Bereits im Vorfeld der Veranstaltung hatte sich die GaKtiv-AG des Gymnasiums am Kaiserdom intensiv mit Josef Kaisers Leben und dem Buch auseinandergesetzt. Die Oberstufen-Schülerinnen konnten deshalb kluge Fragen stellen: Wie das Buch entstanden sei? Wie Herta Kaiser-Grimm als Jugendliche in Speyer die Nazizeit erlebt hatte? Wie Freunde und Familie auf ihre Beziehung mit dem dunkelhäutigen Josef Kaiser reagiert hätten? Ob vor der Ehe über die Zwangssterilisierung von Josef gesprochen wurde? Ob er überhaupt über sein Schicksal reden konnte?

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Nein, Josef Kaiser habe nicht gerne über seine Erfahrungen gesprochen, antwortete Herta Kaiser, und von der Zwangssterilisierung habe sie erst kurz vor der Heirat von Josefs Mutter erfahren, und damit auch die Kinderlosigkeit in Kauf genommen. Mit brüchiger Stimme, aber dennoch souverän gab die Zeitzeugin Auskunft über viele persönliche Details ihrer Ehe mit dem schwarzen Kaiser. Besonders anrührend geriet ihr dabei der Bericht über die ersten Begegnungen und Flirts mit ihm während der Speyerer Frühjahrsmesse 1943. Gefragt, ob sie jemals Zweifel daran gehabt hätte, diese sehr persönlichen Dinge in einem Buch veröffentlicht zu sehen, antwortet sie mit einem klaren „nein“. Gerade jetzt sei es wichtig, ihre Geschichte zu erzählen, angesichts aufkeimender rassistischer Tendenzen weltweit. „Man kann es kaum begreifen“, und „man hat jeden Tag mehr Angst“, wenn man die Zeitung aufschlägt, sagt die 97-Jährige.

Die Zuhörer erlebten im Haus Trinitatis eine emotional bewegende Lesung und ein erhellendes Generationengespräch zwischen der Zeitzeugin und den Schülerinnen des GaK. Schade nur, dass den Jugendlichen zu wenig Redezeit eingeräumt wurde, um ihre Sicht auf das Schicksal von Josef Kaiser zu formulieren. Das war dann erst in kleinerer Runde nach der Veranstaltung möglich.

Resignation nicht der richtige Weg

Dabei war Ermutigendes zu hören: Die Schülerinnen Marlen Sattel, Anna Heinke, Isabel Decker und Magdalena Kemper sprachen unisono davon, dass ihnen diese lokale Geschichte aus Speyer sehr nahe gegangen sei. Die von Michael Lauter in seinem Buch präsentierten Quellen und Materialien hätten Speyerer Geschichte für sie auf einer sehr emotionalen Ebene erfahrbar gemacht. „Man muss derzeit aufpassen, dass man nicht selbst von negativen Tendenzen erfasst wird“, und: „Resignation angesichts aktueller Ereignisse ist nicht der richtige Weg“. Deshalb sei es wichtig, sich einzumischen und den Mut nicht zu verlieren, so die vier Schülerinnen.

Mit ihrer Bereitschaft zum Dialog und ihrem Engagement in der AG „GaKtiv“ haben sie sich engagiert und aktiv Position bezogen. Nicht gegen, sondern für Toleranz und für Respekt. Für die Offenheit. Das Gymnasium am Kaiserdom ist seit 2017 „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“. Dies soll nicht nur eine Plakette an der Schulfassade bleiben, sondern weiter mit Leben gefüllt werden. Dazu hat auch diese Veranstaltung beigetragen.

Buch: „Der schwarze Kaiser. Die Geschichte des Josef Kaiser aus Speyer“, von Michael Lauter, Verlag Regionalkultur 2022.

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