Speyer. „Allen Arbeiten ist gemeinsam, dass sie ein tastendes Sehen erfordern.“ Mit dieser Einschätzung beschrieb Sepp Hiekisch-Picard, bis 2022 stellvertretender Direktor am Kunstmuseum Bochum, 2015 die Arbeitsweise der Künstlerin Frauke Wilken, die nun beim Kunstverein Speyer ausstellt. Die Vernissage im Kulturhof Flachsgasse findet am Donnerstag, 31. Oktober, um 18 Uhr statt. Nach Begrüßung durch den Vorsitzenden Hansjörg Eger führt Dr. Olaf Mückain, wissenschaftlicher Leiter der Museen Stadt Worms, in die Ausstellung ein. Sie dauert bei freiem Eintritt bis zum 19. Januar (donnerstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr).
Unter dem Titel „Auf leisen Sohlen“ sind Malereien, Skulpturen und Objekte zu sehen. Ausdrucksstark sind sie alle. Skulpturen wie die aus vier Personen bestehende und 1,70 Meter hohe Skulptur „Rendezvous“ wirken zudem äußerst fragil. Die Schwere des inneren Stahlgerüstes als Trägermaterial wird durch die völlige Ummantelung mit Gewebe weitgehend kompensiert. Die dadurch erzielte Leichtigkeit wird durch den Auftrag von weißer Acrylfarbe noch betont. Ineinander fließende Körperformen unterstreichen die Verbundenheit der eng umschlungen stehenden Vierergruppe. Der Bekanntheitsgrad der 1965 in Göttingen geborenen und seit 1992 in Köln lebenden Künstlerin schlägt sich auch im Preis nieder. Mit 8900 Euro ist die Skulptur gelistet.
Mit jeweils 8500 Euro sind zwei Bilder im Format 200 mal 140 Zentimeter ausgezeichnet. Darin hat Wilken, die von 1986 bis 1992 ein Studium der freien Kunst in Braunschweig und Barcelona absolvierte, auf Stipendien in Montreal und New York verweisen kann und von 2008 bis 2011 an der Fachhochschule Düsseldorf lehrte, das Innere des Menschen auf ihre Weise nach außen gekehrt.
Unter den Titeln „Turbulenzen II und Turbulenzen III“ sind mit Öl auf Leinwand gemalte geflochtene Haare zu sehen, die im Gegensatz zum Titel eher Ruhe ausstrahlen. Nach Intention der Künstlerin sollen sie Rückschlüsse auf die Person ermöglichen, zu der die kunstvoll geflochtene Haarpracht gehört. Quasi eine zweite Hülle des Menschen, über die vieles transparent gemacht werden kann.
Was die Künstlerin mit ihren Werken zum Ausdruck bringen will, ist – unabhängig von der Qualität – für den unbedarften Galeriebesucher nicht ganz einfach nachvollziehbar. Daher wären zur Meinungsbildung erläuternde Texte bei den einzelnen Exponaten durchaus hilfreich. Denn in Wilkes Arbeiten fließt eine ganz spezielle Gedankenwelt ein. Ihr geht es um eine Verständigung des Menschen mit sich selbst und mit der Natur. Quasi um die Notwendigkeit, die Natur in sich selbst zu erkennen.
So sind auch Objekte aus Kunsthaar zu sehen, die in ihrer Form daran erinnern, wie betuchte Römerinnen der Antike sich ihre Haare von Sklavinnen vernähen ließen, um den gewünschten Aufbau zu erzielen. Das Spektrum der stets ausdrucksbetonten Exponate umfasst ferner Malerei mit floralen Motiven. Wie ein Blick in das Pflanzeninnere suggeriert, handelt es sich um ästhetisch anmutende, in Farbe und Form fast fleischliche Ausdrucksformen. Im Detail ähnlich geartet, sind Arbeiten, deren Darstellung an Organe im Körperinneren erinnern, ohne jedoch abschreckend zu wirken.
Dazu passt, dass einzelne Exponate bewusst über ironische Ansätze verfügen. So bei einem kopflosen Objekt, bei dem man nicht mit letzter Sicherheit sagen kann, ob eine mögliche Metamorphose erst begonnen oder sich schon im Endstadium befindet. Assoziationen an hybride Mischwesen drängen sich hier förmlich auf. Ganz anders dagegen das Werk „Floral X“, das durch eine perspektivisch interessante Linienführung einen Blick in die Tiefe der Komposition förmlich herausfordert. Wie auch immer – ob Gemälde, Skulpturen oder Objekte – für alle Arbeiten der seit 1989 national und international ausstellenden Künstlerin gilt, dass sie entsprechend dem Ausstellungstitel unaufdringlich wirken und auch deshalb eine besondere Wirkung entfalten.
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