Pandemie - Nibelungenstadt begrenzt auf Drängen des Gesundheitsministeriums den Bewegungsradius ihrer Bürger auf 15 Kilometer

Worms unter Quarantäne

Von 
Bernhard Zinke
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Holger Ewald hängt die Allgemeinverfügung in den Schaukasten der Stadtverwaltung Worms. Damit tritt sie nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. © Berno Nix

Worms. Die Stadt Worms verhängt ab diesem Mittwoch nicht nur eine nächtliche Ausgangssperre von 21 Uhr bis 5 Uhr, sondern schränkt als erste Stadt in der Region auch den Bewegungsradius ihrer Bürger ein. Dies teilte die Stadtverwaltung am Dienstagvormittag mit.

Ist Einschränkung rechtens?

Eine Allgemeinverfügung, die die Bewegungsfreiheit der Bürger einschränkt, kann durchaus rechtens sein. So lautet eine vorsichtige erste Einschätzung von Christian Koch, Professor an der Speyerer Universität für Verwaltungswissenschaften.

Die Verfügung sollte seiner Meinung nach allerdings Ausnahmen vorhalten wie beispielsweise Arzt- und Betreuungsbesuche und Arbeitswege.

Außerdem sollte sie zeitlich befristet sein oder mit einem Bezug zu einem Inzidenzwert versehen sein.

Aus eigener Entscheidung heraus tut sie das allerdings nicht. Das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium habe auf diese Einschränkung gedrängt, sagte Oberbürgermeister Adolf Kessel am Dienstag nach einem Telefonat mit dem Ministerium, das er am Vorabend führte. Wie bereits gemeldet, hatte die Stadt Worms auf eine Einschränkung des Bewegungsradius für ihre Bürger verzichten und es bei einem Appell bewenden lassen wollen. Ebenso muss die Stadt nun die Maskenpflicht in der Fußgängerzone wieder einführen. Diese Bestimmung war am 20. Dezember ausgelaufen und wegen der Schließung des Einzelhandels durch den harten Lockdown ab 16. Dezember nicht mehr verlängert worden.

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Ab Mittwoch gilt nun für die Stadt Worms, dass sich die Bürger nicht weiter als 15 Kilometer vom Stadtgebiet wegbewegen dürfen. Bezugspunkt ist die Stadtgrenze. Diese Regelung ziele ausschließlich auf eine Vermeidung des Tagestourismus ab, begründet die Stadt. Die Bürger sollen das Coronavirus nicht hinaus in die Region tragen. Zuletzt waren die Ansteckungszahlen in Worms in die Höhe geschossen. Am Dienstag betrug die 7-Tage-Inzidenz 326,2. Es ist der aktuell höchste Wert in Rheinland-Pfalz. Neben Ausbrüchen in mehreren Seniorenheimen hatte das Kreisgesundheitsamt Alzey-Worms immer wieder Dutzende von Fällen ausgemacht, bei denen das Infektionsgeschehen nicht mehr nachverfolgt werden konnte.

Auch Auswärtige betroffen

Die Einschränkung des Bewegungsradius gilt nicht nur für Bürger der Stadt, sondern auch für Tagestouristen mit dem Ziel Worms. Auch sie dürfen nicht mehr als 15 Kilometer entfernt wohnen. Die Stadt weist allerdings auch darauf hin, dass Familienmitglieder besucht werden können, die weiter weg wohnen, sofern alle anderen gültigen Regeln eingehalten werden. Ebenso dürfen auch Menschen von außerhalb ihre in der Nibelungenstadt lebenden Familienangehörigen besuchen. Fahrten zur Arbeit sind ebenfalls erlaubt.

„Wir bedauern sehr, die Allgemeinverfügung nun doch noch restriktiver gestalten zu müssen, wollten wir als Stadt doch zunächst an die Vernunft unserer Bürger appellieren. Aufgrund der weiterhin steigenden Corona-Zahlen sind uns jedoch die Hände gebunden“, teilte Oberbürgermeister Adolf Kessel per Presseerklärung mit.

Das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium zeigte sich am Dienstag verschnupft, dass die Stadt Worms mit ihrer Informationspolitik vorgeprescht ist. „Bedauerlicherweise wurde die Öffentlichkeit durch die Stadt Worms bereits vor der abschließenden Abstimmung mit dem Ministerium informiert“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme aus Mainz. Die 7-Tage-Inzidenz in Worms liege sehr deutlich über der festgelegten Grenze von 200. „Dies lässt eine zögerliche Vorgehensweise nicht zu – insbesondere auch mit Blick auf den Ballungsraum Vorderpfalz, der nur wenige Kilometer entfernt liegt und in der Vergangenheit und aktuell hohe Inzidenzen hatte/hat“, so das Ministerium.

Auf die Ordnungshüter kommt nun eine Menge Mehrarbeit zu. Dabei ist die Personaldecke dünn. Laut der Wormser Stadtsprecherin ist die Zahl an einsatzbereiten Kräften „überschaubar“. Diese müssten nun tagsüber die Einhaltung des Bewegungsradius und nachts die Ausgangssperre überwachen. Auch die Polizei kann laut ihrem Sprecher nur stichprobenartig kontrollieren. „Wir werden sicher nicht den Leuten hinterherfahren und sie nach 15 Kilometern anhalten“, sagte er.

Autor Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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