Rhein-Neckar. Erlaubt wär’s. Zumindest in vielen Kommunen der Metropolregion Rhein-Neckar. Dank der zuletzt deutlich gesunkenen Inzidenzwerte und der daraus resultierenden Öffnungsschritte. Allerdings wäre „Rudelgucken“ zur Fußball-Europa-Meisterschaft dann noch immer keine Massenveranstaltung für mehrere Tausend Fans. Deshalb fällt Public Viewing flächendeckend aus, abgesehen wohl von Großbildfernsehern in manchen Biergärten.
Zumindest die Veranstalter der Großevents anlässlich der zurückliegenden Fußballturniere haben längst abgewunken. „Unter 4000 Besuchern brauchen wir erst gar nicht anfangen zu planen“, sagt Jürgen Maring, dessen Mannheimer Agentur Eventfritze bundesweit große Events veranstaltet, 2018 im Stadion von Sandhausen ein Public Viewing anbot und auch in Frankenthal aktiv ist. 4000 Menschen seien trotz gelockerter Bestimmung noch immer nicht möglich. Man dürfe auch nicht unterschätzen: Public Viewing lebt von den Menschenmassen, die eine Leidenschaft teilen. Das Gemeinschaftserlebnis zähle, „da ist das Spiel auf der Leinwand sogar manchmal zweitrangig“, weiß der Veranstalter. Dafür brauche es allerdings mehrere Tausend Besucher. 100 Zuschauer im Biergarten seien nett, aber etwas anderes als der Charakter eines großen Rudelguckens.
Ein Konzept für stimmungsvolles Public Viewing müsse auf wirtschaftlich gesunden Beinen stehen - und sich ganz nebenbei nicht nur auf den sportlichen Erfolg der deutschen Nationalmannschaft verlassen. Man habe ja 2018 gesehen, wie schnell die Begeisterung nach dem Vorrunden-Aus von Jogis Jungs verblasste. Wer da vorher kein tragfähiges (Finanzierungs-)Konzept gestrickt hatte, sah alt aus, weiß Maring. Und dazu brauche es Unternehmen und Sponsoren, die ein solches Event mittragen, selbst einen Vorteil daraus für sich generieren können. Angesichts von zweiten und dritten Wellen sei gar nicht die Zeit gewesen, ein genehmigungsfähiges Konzept zu stricken. „Der Vorlauf für die Vermarktung hat einfach gefehlt“, sagt Maring. In normalen Zeiten benötigt er dafür etwa ein Jahr - in der Pandemie war das schlicht unmöglich.
Eventuell die Endspiele übertragen
Christian Ruppel, der mit seiner Firma Vision in Worms zuletzt bei jedem internationalen Fußball-Turnier die Nibelungenarena auf dem Wormser Marktplatz mit großer LED-Leinwand aufgebaut hatte, stößt ins gleiche Horn. In der Nibelungenstadt war mit ihren Spitzen-Inzidenz-Werten zuletzt ohnehin undenkbar, dass öffentliche Veranstaltungen schon ab Mitte Juni in größerem Rahmen stattfinden könnten. Auch in normalen Zeiten seien die Auflagen wegen der Sicherheit schon enorm. Zudem dürfe man ja keinen Eintritt nehmen, um nicht mit der Fifa in Konflikt zu geraten. Außerdem sei vielen Kollegen das Risiko viel zu groß gewesen, bei plötzlich steigenden Inzidenzwerte die Public Viewing-Arenen wieder schließen zu müssen. Es habe ja keiner damit rechnen können, dass die Zahlen so schnell und offenbar dauerhaft in den Keller gehen.
Tatsächlich denkt Ruppel allerdings darüber nach, sein ab dem 23. Juli ohnehin geplantes „WOpen-Air“ mit Freiluft-Kino und Kulturveranstaltungen ein wenig nach vorne zu ziehen und zumindest die Endspiele der EM auf seinem Firmengelände in Worms zu zeigen - vor den maximal 250 Menschen, die sich in den Liegestühlen des adrett geschmückten Geländes unter Schirmen lümmeln dürfen.
Corona in der Region
Bei der Mannheimer Firma Rent Event Tec, einem der größten Anbieter für LED-Wände, trudeln gerade ein paar Anfragen ein. „Ich habe heute noch drei Angebote geschrieben“, sagt Vertriebsmitarbeiter Markus Maslowski. Allerdings steht mit 3000 Quadratmetern der größte Teil der mobilen Flotte des Unternehmens noch im Lager. Die Nachfrage halte sich in engen Grenzen. Gebucht sind bislang insgesamt rund 300 Quadratmeter mit Einzelgrößen von bis zu 23 Quadratmeter. „Das ist für Veranstaltungen von 100 bis 200 Zuschauern“, schätzt Maslowski. Zum Vergleich: Die LED-Wände auf den großen Fanmeilen sind in der Region 100 Quadratmeter groß.
„Weiterer Genickschlag“
Rent Event Tec-Chef Thilo Strack weiß genau, dass die Veranstalter überhaupt keine Zeit zur Planung hatten. Hinzu komme die Frage: Wollen die Leute überhaupt schon feiern? Wobei Strack sich durchaus ärgert, dass in München 14 000 Zuschauer ins Stadion dürfen, bei Kulturveranstaltungen aber weit größere Restriktionen gelten. „Ein weiterer Genickschlag für unsere Branche“, sagt er.
Während die EM 2021 also weitgehend abgehakt sein dürfte, denkt Jürgen Maring indessen schon an die WM 2022. Die findet im November und Dezember statt. Für Maring aus vielerlei Hinsicht eine reizvolle Aussicht. Mit Hansi Flick ist ein neues Trainerteam am Start und dann Public Viewing mit Glühwein im Weihnachtsmarkt-Gewand? Der Eventfritze steht mit ersten Ideen schon in den Startlöchern.
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Public Viewing zur Fußball-EM: Vernünftiger Verzicht