Metropolregion. Nach der Veröffentlichung des Gutachtens zu sexuellem Missbrauch in der Erzdiözese München und Freising sind bereits Hunderte Menschen aus den Kirchen in bayrischen Städten ausgetreten. Neben München erhöhen auch andere Städte wie Regensburg, Ingolstadt und Würzburg die Kapazitäten, um den Andrang an Kirchenaustritten bewältigen zu können. Auch in der Metropolregion verzeichnen die Standesämter und Städte eine erhöhte Anzahl an Austritten im Vergleich zum Januar vergangenen Jahres.
Fünf Wochen ausgebucht
Bisher nur leicht gestiegen sind die Kirchenaustritte in Ludwigshafen. Bis zum 26. Januar sind hier 77 Menschen ausgetreten - im Januar 2021 waren es 69. Allerdings sind in der Chemiestadt alle Termine für einen Kirchenaustritt ausgebucht. „Die Vorlaufzeit beträgt derzeit circa fünf Wochen“, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Eine Erweiterung der Kapazitäten, wie sie in bayrischen Städten teilweise erfolgte, sei hier jedoch nicht in Planung. Grund sei, dass die Erhöhungen bei Kirchenaustritten bisher nicht „von Dauer“ waren. Die Rückstände konnten demnach immer aufgeholt werden.
Missbrauchsfälle in der Kirche
- Die Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl hat in den vergangenen Jahren im Auftrag des Erzbistums München und Freising Missbrauchfälle in der Kirche aufgearbeitet.
- Dabei sind 235 mutmaßliche Täter und insgesamt 428 Betroffene identifiziert worden.
- Auch Papst Benedikt XVI. wird in dem Gutachten Fehlverhalten vorgeworfen – die Kirche soll Fälle systematisch ignoriert haben.
- Folge des Gutachtens sind massenhafte Kirchenaustritte.
- Alternativ können Kirchenaustritte auch per notariell beglaubigtem Brief erledigt werden.
Anders sieht es in Mannheim aus: „Die Anzahl der Kirchenaustritte ist spürbar gestiegen“, erklärt ein Sprecher. Während es 2020 insgesamt 1 860 waren, registrierte die Stadt 2021 3 366 Austritte aus der Kirche. Und auch 2022 sieht es bisher nach einer Erhöhung aus. Im Vergleich zum Januar 2021 ist die Zahl um 33 auf 256 gestiegen (Stand: 26. Januar). Wie viele Menschen der katholischen Kirche den Rücken zuwenden, können beide Städte nicht sagen. „In der Wahrnehmung“ sei das Verhältnis zwischen katholisch und evangelisch jedoch ausgeglichen, berichtet ein Sprecher der Stadt Mannheim.
Eine Sprecherin des Standesamts Weinheim berichtet ebenfalls von einer „halb/halb evangelisch/katholischen“ Aufteilung bei den Kirchenaustritten. Im Januar haben hier 52 Personen die Kirche verlassen - 24 davon gehören der katholischen Konfession an. Im Januar 2021 waren es insgesamt nur 15 Personen, von denen sieben katholisch waren. „Im Januar 2022 ist es ebenfalls in Weinheim zu einer erhöhten Anzahl an Kirchenaustritten gekommen“, teilt die Sprecherin mit. Dementsprechend sind derzeit alle Termine für einen Austritt vergeben. Die Wartezeit beträgt etwa eine bis zwei Wochen, heißt es weiter.
Keine Steigerung in Heidelberg
In Heidelberg müssen die Bürgerinnen und Bürger nicht auf einen Termin warten. „Wir verzeichnen keine überdurchschnittlich hohe Zahl bei Kirchenaustritten“, berichtet ein Sprecher der Stadt. Der Durchschnitt lag 2021 bei 140 Austritten pro Monat. Bis zum 26. Januar dieses Jahres sind in Heidelberg 146 Menschen aus der Kirche ausgetreten. „Im Januar 2021 waren es nur 57 Austritte“, fährt der Sprecher fort, „das erklärt sich aber aus dem Lockdown.“ Das persönliche Vorsprechen, welches bei einem Kirchenaustritt üblich und nötig ist, war während des Lockdowns im vergangenen Frühjahr nur begrenzt möglich. Dass die Austritte in Heidelberg auf demselben Niveau bleiben, könnte daran liegen, dass die Bevölkerung dort zum Großteil evangelisch ist, mutmaßt der Sprecher. Wie viele Anteile der jeweiligen Konfession zufallen, werde jedoch auch in Heidelberg nicht erfasst.
In Bensheim betreffen 45 der insgesamt 62 Kirchenaustrittserklärungen das Konfessionsmerkmal römisch-katholisch, heißt es von einem Sprecher des Bürgerbüros. Zudem sei eine Steigerung der Austritte bereits bis zum Stichtag 26. Januar zu erkennen. Im vergangenen Jahr waren es im Januar lediglich fünf Kirchenaustritte. Doch auch der Februar 2021, in dem mit 55 die meisten Menschen in einem Monat aus der Kirche ausgetreten sind, ist bereits übertroffen. Damit wurde auch der Durchschnittswert des vergangenen Jahres überstiegen. Dieser lag laut Bürgerbüro bei 39 Austritten pro Monat.
Gründe unbekannt
Etwa 20 Austritte pro Monat verzeichnet das Standesamt Schwetzingen im vergangenen Jahr. Insgesamt sind 2021 235 Personen aus der Kirche ausgetreten - eine monatliche Statistik wird nicht geführt. Allerdings wurden in diesem Januar bereits 23 Austrittserklärungen unterzeichnet, zehn weitere sind bis Ende des Monats geplant (Stand: 26. Januar), teilte eine Sprecherin mit.
Ob die Austritte mit dem veröffentlichten Papier der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche zusammenhängen, konnte keine der Behörden sagen. Dies sei darauf zurückzuführen, dass bei einem Austritt aus der Kirche kein Grund angegeben werden muss. Deshalb werden hierüber auch keine Statistiken geführt.