Wiesloch. „Wir sind als Zirkusartisten ein Stück weit Überlebenskünstler. Aber das wirklich gar nichts mehr geht, das hatten wir noch nie“, so Tim Thomsen. Er gehört zum Familienzirkus „Manuel Weisheit“, für den es im Moment weder vor noch zurück gibt. Nach der Winterpause habe die Truppe drei Wochen getourt – dann kam schon der erneute Stillstand: Vom 5. bis zum 15. März sollte der Zirkus in Wiesloch auftreten, dann nach Leingarten weiterziehen. Doch noch während des Gastspiels kam es zum Veranstaltungsverbot aufgrund der Corona-Pandemie. Seitdem stecken die Artisten in der Nähe des Wieslocher Freibads fest.
Entgegenkommen der Stadt
„Die Stadt hat uns erlaubt, die Fläche weiter zu nutzen.“ Ein Glück für den Zirkus, denn sein Winterquartier in Neustadt an der Weinstraße ist nur angemietet und in der restlichen Zeit anderweitig belegt. „Wir sind von Februar bis November auf Tour. In den Monaten brauchen wir sonst keinen festen Standplatz“, so Thomsen. Manche größere Zirkusse besäßen eigene Grundstücke, zu denen sie jetzt zurückkehren könnten. „Es sind aber auch viele, vor allem kleinere Betriebe in derselben Lage wie wir“, sagt Thomsen.
„Manuel Weisheit“ tourt mit seinem Artistikprogramm durch Südwestdeutschland. Der Zirkus besteht aus 24 Mitgliedern im Alter von eins bis 55 Jahren. Dazu kommen vier Ponys, zwei Pferde, vier Lamas und ein paar Enten, „aber Letztere halten wir nur als Hobby“, erklärt Thomsen.
„Die Tiere stehen im Stall und freuen sich des Lebens“, so der Sprecher des Zirkus. Für Futter sei gesorgt, die Vorräte würden für die nächsten Wochen reichen. „Für uns Menschen ist die Situation dramatischer, weil trotz ausfallender Veranstaltungen die Kosten für Versicherungen, Tierfutter und Fahrzeuge weiterlaufen.“
Rücklagen schwinden
2000 Euro erfordere der laufende Betrieb pro Woche, momentan konnten die Ausgaben halbiert werden. Die Rücklagen schwinden trotzdem. Auf seiner Homepage ruft der Zirkus zur Spendenaktion auf. Die Truppe holt gerade Reparaturen nach. „Wir nutzen 60 Jahre alte Zirkuswagen von unserem Opa, die streichen und entrosten wir“, so Thomsen. Auch andere Aufträge hätten sich ergeben: Ein Pflegedienst aus Wiesloch bat den Zirkus,100 Mundschutzmasken zu nähen.
„Im Gegenzug gab es eine riesen Lieferung an Milch, Mehl, Nudeln, Eier und Kartoffeln.“ Momentan sei man im Gespräch mit einem Spargelhof, der Erntehelfer suche. Der Reitverein aus Wiesloch habe kostenlos Heuballen zur Verfügung gestellt, die Futtermühle in Dielheim Pferdepellets. Gelegentlich kämen aufmerksame Passanten und brächten alte Karotten für die Tiere – ein Trost, findet Tim Thomsen: „Es ist schön, dass die Leute an einen denken.“