Zum Artikel „Aufschrei der Verzweifelten“ Wirtschaftsflucht nur vor Ort bekämpfbar

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Zum Artikel „Aufschrei der Verzweifelten“ vom 5. August:

Die traurigen Zustände in den Flüchtlingslagern an Europas südlichen Grenzen bedürfen keiner weiteren Beschreibung. Sein halbes Berufsleben verbrachte der Verfasser im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika. In diesen Jahrzehnten erlebte ich ein Dutzend Kriege, Konflikte, Revolutionen der verschiedensten Art – unmittelbar in Ägypten, Sudan, Libyen, Irak und Kuwait.

Was mich anfangs stets verwunderte, war der Umstand, dass die betroffenen Menschen höchst selten Zuflucht in den benachbarten Ländern ihrer Glaubensgemeinschaften suchten, sondern den weiten Weg nach Europa vorzogen. Es gibt zwei plausible Erklärungen. Die Einreisebeschränkungen der arabischen Staaten sind strikt und erlauben praktisch keine Einreise sogenannter Flüchtlinge. Des Weiteren ist der Menschenhandel im afrikanischen Raum ein durchaus ehrenwertes Gewerbe und wird von den Regierungen nicht nur toleriert, sondern tatkräftig gefördert.

Professionelle Hilfe

Ein für beide Seiten lohnendes Geschäftsmodell – für lokale Politiker sowie für organisierte Menschenhändler. Letztere bieten in gut besuchten Abendveranstaltungen professionelle Hilfe an für fluchtwillige Menschen in die westliche Welt, vorrangig Europa. Solche Verhaltensregeln liegen mir vor und informieren im Detail, wann zum Beispiel der Pass wegzuwerfen ist, welche Verletzungen man sich zufügen sollte, welche Fluchtwege Erfolg versprechen, wann Nachfolger über geglückte Flucht zu informieren sind. Auch Gedächtnisverlust hinsichtlich des Heimatlands ist ganz wichtig.

Wie ist diese Völkerwanderung zu verstehen aus dem nach UNO-Statistik reichsten Kontinent dieser Erde? In meinem Büro in Kairo hingen zwei Grafiken. Eine zeigte die finanzstärksten Länder der Welt, angeführt vorwiegend von westlichen Staaten und endete mit den armen Ländern der Dritten Welt Afrikas. Die zweite Grafik zeigte nahezu in umgekehrter Reihenfolge die rohstoffreichsten Länder dieser Welt, angeführt von den zuvor als bitterarm bezeichneten Staaten Afrikas.

Immenser Profit

Wie ist das zu verstehen? Sehr einfach! Wenige Familien, in der Regel gleichzeitig die Regierenden, teilen sich den immensen Profit mit westlichen Konzernen mit ungebremst steigender Tendenz. Die Hofhaltung dieser Stammesfürsten erinnert an die Glanzzeiten Ludwig des XIV. Villen und Jachten versetzen selbst verwöhnte Westler in ungläubiges Erstaunen. Um das armselige Volk kümmern sich Welthungerhilfe und ausländische Hilfsorganisationen.

Die im Tiefschlaf verharrenden Vereinten Nationen rügen zwar tretmühlenartig die rigorose Ausbeutung, tun aber rein gar nichts. Wohlgemerkt, Wirtschaftsflucht kann nur vor Ort wirkungsvoll und nachhaltig bekämpft werden und nicht erst bei Strandung an den Küsten der Türkei, von Griechenland, Italien oder Spanien. All das wissen Politiker in Brüssel und in den Hauptstädten Europas – doch wen kümmert es?! (von Wolfgang H. Rudolf, Mannheim)

Info: Originalartikel unter https://bit.ly/316kwpu