Zum Leserbrief "Entsetzt über Kommentar" vom 25. Februar:
"Schweigen dürfen wir nie wieder" ist der letzte Satz des Kommentars von Tatjana Junker. Der Leserbrief von Gunter Zimmermann zeigt die Wichtigkeit dieses Satzes auf deutliche Art! Der Kommentatorin Tatjana Junker wird von Gunter Zimmermann vorgeworfen, Zitat Leserbrief Zimmermann: "[...] den Gedenktag an den Nationalsozialismus in perfider Weise instrumentalisiert, um gegen eine ihr nicht genehme politische Richtung unverantwortliche Hetzparolen zu verkünden".
Fragliche Anschuldigungen
Der 27. Januar wurde 1996 von Roman Herzog, dem damaligen Bundespräsidenten, zum "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus" erklärt und gesetzlich verankert. Gunter Zimmermann hat daraus in seinem Leserbrief einen "Gedenktag an den Nationalsozialismus" gemacht! Der Leserbrief von Gunter Zimmermann erscheint vier Wochen nach Abdruck des Kommentars von Tatjana Junker.
Somit kann sich der Leser, auch wenn er aufmerksam ist, kaum noch an den konkreten Inhalt des Kommentars erinnern! Zu den Vorwürfen von Gunter Zimmermann an die Kommentatorin Tatjana Junker, deren Kommentar angeblich sein "Entsetzen" hervorruft, stelle ich fest: Gunter Zimmermann, Historiker und Theologe, ist die Bedeutung des Begriffes "perfid" (perfid lateinisch/französisch bedeutet: heimtückisch, hinterlistig, treulos) sehr wohl bewusst!
Daraus ergeben sich für mich viele Fragen:
1. Was ist perfid an dem Hinweis der Kommentatorin auf den zunehmenden Einfluss populistischer Kräfte, die die Gesellschaftsfähigkeit von Stimmungsmache gegen Ausländer befördert?
2. Was ist perfid an der Feststellung der Kommentatorin, die unzweifelhaft auf Tatsachen beruht, dass bei Pegida-Kundgebungen sowie bei Auftritten der AfD eine Sprache benutzt wird, die den frühen Nazi-Parolen sehr ähnlich ist?
3. Was ist perfid an der Feststellung der Kommentatorin, dass durch Sprüche in Bezug auf Flüchtlinge bei solchen Kundgebungen Hass und Neid geschürt werden?
4. Was ist perfid an der Feststellung der Kommentatorin, dass "auch der Vernichtungszug der Nazis gegen Juden, gegen Sinti, Roma oder gegen Andersdenkende" zunächst mit Worten begann?
5. Was ist perfid an der Darstellung der Tatsache durch die Kommentatorin, dass " die systematische verbale Diffamierung und Entmenschlichung dieser Gruppen [...] ihre spätere physische Auslöschung, den Massenmorden [...], den Boden bereitet" hat?
6. Was ist perfid daran, dass die Kommentatorin die Tatsachen beschreibt, die zu den Gräueltaten der Nationalsozialisten geführt haben?
7. Was ist perfid daran, dass die Kommentatorin die Notwendigkeit des Gedenktages ganz besonders in unserer Zeit mit zeitnahen Tatsachen begründet?
Die Aufzählung nur einiger meiner Fragen entlarvt die Absicht von Gunter Zimmermann. Schon in der Einführung des Leserbriefes wird deutlich, dass Gunter Zimmermann eine andere Absicht verfolgt, als auf den Kommentar von Tatjana Junker konkret zu antworten. Der Vorwurf von Gunter Zimmermann, dass die Kommentatorin Tatjana Junker in ihrem Kommentar "in perfider Weise instrumentalisiert" und "unverantwortliche Hetzparolen verkündet" ist absolut unhaltbar. Mit keinem Wort und keinem Satz hat die Kommentatorin Hetzparolen geschrieben, ganz im Gegenteil!
Vielmehr entsteht der Eindruck, dass Gunter Zimmermann das Forum "Leserbrief" nutzt, um seinerseits gegen eine ihm nicht genehme politische Richtung unverantwortliche Hetzparolen zu verkünden. Der überwiegende Teil seines Leserbriefes ist der Flüchtlingsproblematik gewidmet.
Gunter Zimmermann macht Aussagen über Zahlen, die Heike Göbel von der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) verkündet haben soll, ohne konkrete Quellen anzugeben. Tatsächlich hat laut FAZ vom 26.02.2017 die Bundesregierung im Jahr 2016 21,7 Milliarden Euro zur Bewältigung der Flüchtlingskrise ausgegeben, in 2017 sind weitere 21,3 Milliarden Euro eingeplant. Das ist die halbe Wahrheit.
Davon fließen ungefähr 90 Prozent, das sind 19,17 Milliarden Euro, in den Wirtschaftskreislauf zurück (Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Ferdinand Fichtner), also ein Konjunkturprogramm. Das ist die ganze Wahrheit! Die tatsächliche Absicht Gunter Zimmermanns zeigt sich schließlich, indem er im letzten Satz seines Leserbriefes: dass die "Summe für Sinnvolleres" verwandt werden könnte, oder beim "Bürger bleiben sollte, statt dass derselbe in einer [...] absolut undemokratischen Form zum 'Gutmenschen' gezwungen wird".
Sachverhalt ignoriert
Diese Aussage von Gunter Zimmermann steht vollkommen im Gegensatz zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland! Wir haben zum Glück immer noch demokratisch gewählte Regierungen und eine(n) Bundeskanzler(in) mit Richtlinienkompetenz (Artikel 65 Grundgesetz).
Dem Historiker und Theologen Gunter Zimmermann kann Unkenntnis unserer geschichtlichen Vergangenheit und Unkenntnis des Wortlautes des Grundgesetzes keinesfalls unterstellt werden. Vielmehr ist sein Leserbrief in seiner strategisch-suggestiven Form und den Halbwahrheiten typisch und perfid in dem Sinne, dass seine Aussagen hinsichtlich des Wahrheitswerts die Existenz von Sachverhalten ignorieren.
Sein Leserbrief reiht sich ein in die Versuche, die Gesellschaft der Bundesrepublik, die auf den Werten des Grundgesetzes basiert, systematisch zu untergraben. Tatjana Junker hat Recht: Schweigen dürfen wir nie wieder!