Zum Artikel „Prozess um Staatsfolter beginnt“ vom 24. April:
Dass die meisten Deutschen ihren Wissenschaftlern vertrauen, war die erste Erkenntnis der Pandemie. Die zweite war die wachsende Neigung, in diesem trockenen Frühjahr auf die Umwelt zu achten. Und die Dritte? Der Einsatz für Grundrechte. Eines der 24 Oberlandesgerichte in der Bundesrepublik, das Koblenzer, hat am 23. April Schlagzeilen gemacht in den großen Tageszeitungen und den Abendnachrichten des Fernsehens.
In einem „Staatsschutzverfahren“ verhandelt es, mitten in der Corona-Krise, gegen zwei „mutmaßliche Mitglieder“ des syrischen Geheimdienstes. Darunter immerhin ein Oberst. Bislang waren im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien nur Deutsche angeklagt worden: wegen Verbrechen an der Seite des „Islamischen Staats – IS“, einer „terroristischen Vereinigung“. Der hat die Welt, auch die Muslime, erschüttert. Mit der Vergewaltigung von 1000 Frauen, die danach in Baden-Württemberg aufgenommen wurden, und den ins Internet übertragenen Hinrichtungen von Männern. Ebenso schockiert reagierte die freie Welt, als syrische und russische Flugzeuge Fassbomben auf Krankenhäuser und Gasgranaten auf Wohnviertel warfen. War das nicht auch strafwürdig? Ohne Frage, aber Russland, ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, gilt als unangreifbar. Aber jetzt ein Oberst im Geheimdienst der Luftwaffe? Manchem Folterknecht schlug das Gewissen, er verließ den Dienst. 2019 setzte sich der besagte Oberst nach Deutschland ab. Eines seiner Opfer erkannte ihn jedoch, erinnerte sich an Leidensgenossen und suchte Belastungsmaterial.
Inzwischen war auch, über Europa hinaus, eine internationale Organisation der Verfolgten entstanden. Sie sammelt Spenden, Aussagen, Dokumente, vor allem gerichtsverwertbare, bereitet Anklagen vor, trommelt Anwälte und Nebenkläger zusammen und wird von demokratischen Regierungen unterstützt. Noch hat sie nicht genügend Material gegen Assad, doch den Chef des Geheimdienstes der Luftwaffe hat sie schon im Visier. Und der steht ziemlich weit oben.
Der Kampf für weltweite Menschenrechte scheint also aussichtsreich und hat gerade in Deutschland begonnen.
Helmut Mehrer, Brühl
Info: Originalrtikel unter https://https://bit.ly/3bxmNfb