Recht auf Ekel und Boykott

Stefan M. Dettlinger sieht keine Möglichkeit, Werk und Autor zu trennen

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Stefan M. Dettlinger
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Wir nennen es werkimmanente Interpretation, wenn ein Stück Kunst, egal welchen Genres, gedeutet wird, ohne seinen Schöpfer zu betrachten. Nur das Kunstwerk spricht. Aller Hintergrund wird ausgeblendet. Geht das überhaupt? Natürlich ändert es nichts an der Qualität und Einzigartigkeit des genialen Werks von Richard Wagner, dass der ein (glühender) Antisemit war. Natürlich ändert es nichts an Peter Handkes exzellentem literarischem Werk und dem Nobelpreis dafür, dass er am Grabe des mutmaßlichen Völkermörders Slobodan Milosevic eine Lobrede hielt. Und natürlich verlieren auch Roman Polanskis Meisterwerke „Rosemary’s Baby“, „Chinatown“ oder „Der Pianist“ nichts an Bedeutung, obwohl der Regisseur früher der Vergewaltigung angeklagt und heute mehr und mehr beschuldigt wird. Es sollte aber auch zur Anständigkeit gehören, diesen Hintergrund mitzudenken bei der Rezeption. Und das Recht auf Ekel vor solchen Menschen hat jeder, genauso wie das der freien Meinungsäußerung, die den Aufruf zum Boykott beinhaltet.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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