Politiker, die lernen

Walter Serif über das Konjunkturprogramm der Groko

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Walter Serif
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Und es hat „Wumms“ gemacht! Ausgerechnet das Auslaufmodell Groko findet in der Corona-Krise zur Bestform. Erst packte SPD-Finanzminister Olaf Scholz die Bazooka für Unternehmen und Beschäftigte aus, und jetzt sieht es auch die schwäbische Hausfrau Angela Merkel endlich ein: Sogar eine CDU-Kanzlerin muss das Geld mit vollen Händen unter die Leute bringen, wenn es die Lage erfordert. Und im Autoland Bayern gibt es den CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder, der es hinnimmt, dass es keine Staatsknete für fossile Verbrenner geben darf. Ein weiterer Beleg für die Lernfähigkeit in Union und SPD.

Alle haben erkannt: In der Krise darf es keine Tabus geben. Das Coronavirus lässt sich mit den Konjunkturprogrammen alter Schule nicht bekämpfen. Die klassische Klientelpolitik darf nicht die Oberhand gewinnen, genauso wenig wie das Verteilen von Geld allein nach dem altbekannten Gießkannenprinzip.

Natürlich haben die Koalitionäre bei den Verhandlungen im Kanzleramt nicht ihre Parteibücher an der Pforte abgegeben. Das liegt nicht nur an der Bundestagswahl 2021. Wer will es der SPD verdenken, dass sie mit dem Kinderbonus bei den Eltern ein wenig gut Wetter machen wollte? Und die Union braucht auch einen Ausgleich für ihre Niederlage beim Solidaritätszuschlag. Dafür hat sie eine Übernahme der Schulden der hoffnungslos klammen Kommunen durch Bund und Länder verhindert. Gerade dieses Geben und Nehmen hat in den grauen Koalitionstagen gefehlt, weil keiner dem anderen etwas gönnen konnte oder wollte.

Das Konjunkturpaket hat jedenfalls historische Dimensionen. Mit dem (vorläufigen) Abschied von der Schuldenbremse akzeptiert die Union die Realität, wie sie nun einmal ist. Eine Regierung, die sich nichts traut, während das Land den Bach herunter geht, hätte ihre Legitimation verloren und den Populisten von der AfD Auftrieb gegeben, die nur mit kruden Verschwörungsfantasien in den sozialen Netzwerken auffallen.

130 Milliarden Euro – diese Summe dürfte mehr als ein kleines Strohfeuer entfachen. Dennoch reicht ein Konjunkturprogramm nicht, das nur die Binnennachfrage ankurbeln soll. Auch mit den Exporten muss es aufwärtsgehen. Deshalb hat Merkel mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ein 500-Milliarden-Paket für Europa geschnürt. Wenn die anderen darben, können sie auch nichts kaufen. Klingt logisch. Doch auch da musste Merkel erst umdenken. Jetzt wirkt alles wie von langer Hand geplant. Aber was soll’s!

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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