Die Retourkutsche

Walter Serif über die Abschiebungen deutscher Islamisten: Erdogan revanchiert sich für die Kritik am Einmarsch der Türkei in Syrien

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Walter Serif
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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vergisst nichts. Dazu gehört die massive Kritik der Bundesregierung am Einmarsch seiner Truppen in Nordsyrien. Dafür revanchiert sich Erdogan jetzt, indem er auch mutmaßliche Anhänger der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) nach Deutschland abschieben will. Selbst wenn dies nur eine Retourkutsche für das Verhalten Berlins sein mag, so gilt doch: Die Türkei verstößt mit den geplanten Abschiebungen gegen kein Gesetz. Erdogan darf Terroristen in ihre Heimat abschieben.

Das wissen natürlich auch die deutschen Politiker. Dieselben übrigens, die ständig – und das zu Recht – laut darüber klagen, dass sich die Herkunftsländer von abgelehnten Asylbewerbern, Straftätern oder Terroristen weigern, ihre Staatsbürger aufzunehmen. Anders ausgedrückt: Selbst wenn es um Islamisten geht, die tickende Zeitbomben sein können, darf Deutschland hier nicht mit zweierlei Maß messen. Es muss diese Menschen aufnehmen und dann genau überprüfen.

Eine geordnete Rückführung ist ohnehin der richtige Weg mit Blick auf die Gefahr, die von diesen Personen ausgehen kann. Es ist besser, wenn die Türkei sie in einen Flieger setzt, damit die deutschen Sicherheitsbehörden diese direkt am Flughafen in Empfang nehmen können. Viel brisanter wäre es, wenn Terroristen in Istanbul in einen Bus steigen und in Deutschland einsickern würden. Sie könnten sich unterhalb des Radars der Sicherheitsbehörden bewegen.

Das klassische Beispiel dafür war der Fall Anis Amri. Italien schob ihn 2015 in die Bundesrepublik ab. Erst später nahmen ihn die Behörden unter die Lupe – und trafen leider viele falsche Entscheidungen. Deshalb konnte Amri das Attentat am Berliner Weihnachtsmarkt 2016 überhaupt begehen.

Es ist jedenfalls bemerkenswert, dass selbst CDU-Innenexperte Armin Schuster jetzt nicht in Panik verfällt und vor Hysterie warnt. Der Personenkreis, der in dieser Woche bereits abgeschoben wurde, ist vom Bedrohungspotenzial nicht brandgefährlich. Schuster hat deshalb recht, wenn er meint, dass das größere Risiko nicht bei den Rückkehrern besteht. Das ist eher bei den Selbstradikalisierern der Fall, die bereits in Deutschland sind. Die Sicherheitsbehörden müssen diese auf dem Schirm haben. Funktioniert die Gefahrenanalyse nicht, kann es zur Katastrophe kommen.

Deutschland ist seit dem Dezember 2016 zum Glück von weiteren verheerenden Anschlägen verschont geblieben. Das mag auch daran liegen, dass die Zahl der als Gefährder eingestuften Islamisten rückläufig ist. Es liegt aber wohl ebenfalls daran, dass die Sicherheitsbehörden aus dem Versagen bei Amri gelernt haben. Die Dienste arbeiten hart im Hintergrund, die Öffentlichkeit bekommt das meistens gar nicht mit.

Die Behörden können aber das Risiko nicht auf Null minimieren. Deshalb werden sie die IS-Rückkehrer besonders in Augenschein nehmen. Eine geordnete Rückkehr erlaubt eine bessere Kontrolle der Abgeschobenen. Bei dem einen mag es gleich für einen Haftbefehl reichen, der andere muss womöglich engmaschig überwacht werden. Eine größere Gefahr dürfte von den geschätzt rund 12 000 Islamisten ausgehen, die in Syrien von den Kurden inhaftiert wurden. Hier muss die Türkei nach ihrer völkerrechtswidrigen Invasion gewährleisten, dass die Gefangenen nicht einfach freigelassen werden. Angeblich konnten nach der Flucht der Kurden aus dem Grenzgebiet bereits hunderte Kämpfer entkommen. Erdogan steht da in der Verantwortung. Er muss eine Regelung finden, die nicht auf Kosten der Sicherheit geht.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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