Es ist ein Dokument der Fußball-Zeitgeschichte. Im Dezember 2000 unterschrieb der damals 13-jährige Lionel Messi – oder genauer gesagt: der Familien-Anwalt – seinen ersten Vertrag beim FC Barcelona. Auf einer Serviette wohlgemerkt. Nach einem Probetraining waren die Katalanen schlichtweg so sehr begeistert von diesem kleinen Künstler, dass sie sich die Dienste des begnadeten Argentiniers sofort sichern wollten. Es war – wie sich sehr bald herausstellte – gewiss keine überstürzte und falsche, sondern eine wegweisende und lohnende Entscheidung von damals kaum zu fassender, noch nicht einmal zu erahnender Tragweite. Denn 20 Jahre später steht fest: Ohne den genialen Linksfuß wäre der FC Barcelona nicht das, was er jetzt ist. Einer der erfolgreichsten Vereine der jüngeren Vergangenheit – allerdings mit der deutlichen Betonung auf Vergangenheit.
Mehr als eine Krise
„Mehr als ein Club“ lautet das Credo der Katalanen. Mehr als eine Krise ist das, was der fünfmalige Champions-League-Gewinner gerade durchmacht. Die 2:8-Demontage gegen den FC Bayern München in der Königsklasse vor knapp zwei Wochen bildete den Tiefpunkt eines schleichenden Niedergangs. Dachte man zumindest bis Dienstagabend. Dann folgte das gewaltige Messi-Beben.
Ein Verlust des 33-Jährigen würde die stolzen Katalanen emotional härter treffen als die Demütigung von Lissabon. Es wäre eine Zäsur, das endgültige Ende einer Ära und der Höhepunkt eines einzigartigen Zerfalls, der auf zu viel Dankbarkeit für vergangene Verdienste, eine völlig fehlgeschlagene Transferpolitik und Machtspielen in der Führung basiert. Kurzum: Dieser Verein braucht – ob mit oder ohne Messi, der fraglos immer noch zu den Weltbesten gehört – eine Rundumerneuerung. Doch das wird gar nicht so einfach.
Der 26-fache spanische Meister ist extrem verschuldet, die sündhaft teuren Transferflops Ousmane Dembélé, Antoine Griezmann und Philippe Coutinho nehmen dem Verein fast jeden Handlungsspielraum. Etwa 400 Millionen Euro kostete das Trio mit den großen Namen, den riesigen Gehältern – und der minimalen Leistung.
Ein Club steht immer über allem
Ein elementarer Teil der Mannschaft ist dazu deutlich überaltert, aber nicht wenige Stars sind mit langfristigen, fürstlich dotierten Verträgen ausgestattet. Der 31-jährige Jordi Alba darf beispielsweise noch bis 2024 bleiben. Er ist übrigens ein guter Freund von Messi, was bei den Verhandlungen um ein neues Arbeitspapier pikanterweise eine nicht ganz unerhebliche Rolle gespielt haben soll.
Der ausgeprägte Einfluss des argentinischen Superstars ist also ebenso ein Teil des Problems. Vielleicht fällt es sogar genau deshalb leichter, den Umbruch ohne ihn und seine Hausmacht zu vollziehen. Denn es kann nicht nur darum gehen, ihn bei Laune zu halten. Ein Spieler ist niemals größer als der Verein. Erst recht nicht in Barcelona. Schließlich heißt es dort doch: Mehr als ein Club. Und nicht: Messi ist der Club.
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Der Zerfall
Marc Stevermüer zum nahenden Messi-Abschied