Viele Menschen vor Mannheims Intendant Christian Holtzhauer haben in der Vergangenheit erfahren, dass es unter vielen sensiblen Themen eines gibt, das sich beim Anfassen noch fragiler verhält als ein rohes Ei: Israel und die Juden. Gerade in Deutschland. Gerade in Zeiten, in denen wieder viel über Antisemitismus gesprochen wird, weil wieder viel Antisemitismus sicht- und spürbar ist – oder sich schlicht mehr Menschen trauen, ihrer Judenfeindlichkeit Ausdruck zu verleihen. Antisemitismus ist – wie jede Art von Rassismus und Diskriminierung – nicht tolerierbar. Das muss Konsens sein in Deutschland. Und das haben Holtzhauer und die Initiative GG 5.3, der er sich angeschlossen hat, auch deutlich gemacht. Ein entsprechender Passus steht im Positionspapier gleich im ersten Absatz.
Das Problem ist die Grauzone, die bleibt. Wer sich gegen Antisemitismus ausspricht, gleichzeitig aber auch nur einen Kubikmillimeter Raum für Spekulation in die Gegenrichtung zulässt, hat verloren. Es braucht hier absolute Bedingungslosigkeit. Punkt.
Deswegen sind Sätze wie „Gleichzeitig halten wir auch die Logik des Boykotts, die die BDS-Resolution des Bundestages ausgelöst hat, für gefährlich“ sicher gut gemeint und im Sinne einer offenen demokratischen Debattenkultur. Sie bieten aber genau diesen Spekulationsraum, weil im BDS eben nicht nur, aber auch eindeutige und teils sehr radikale Antisemiten, Ideologen und Agitatoren aktiv sind.
Genau vor diesem Hintergrund liest sich das Papier teils wie eine Regieanweisung für die Reaktion: „Unter Berufung auf diese Resolution werden durch missbräuchliche Verwendungen des Antisemitismusvorwurfs wichtige Stimmen beiseitegedrängt und kritische Positionen verzerrt dargestellt.“ Ob in diesem Fall nun missbräuchlich oder nicht: Der Antisemitismusvorwurf ist eine Keule, die keine Gegenwehr zulässt.
Die Kunst ist frei und darf alles. Die Wissenschaft ist frei und darf (fast) alles. Dafür setzen sich die Unterzeichner der Initiative GG 5.3 auch ein und vergessen vielleicht den heute gültigen Nachsatz: Wir dürfen alles, solange wir dafür bezahlen und die Konsequenzen aushalten. Tabubrüche können teuer bezahlt werden. Mit Seelenunheil. Mit gesellschaftlichem Unfrieden. Das hat auch Kabarettistin Lisa Eckhart 2020 erfahren. Das einzige Positive, das nun erreicht wird, ist: Wir debattieren und werden uns bewusst: Dieses Tabu bleibt!