Mannheim. So schnell kann es gehen. Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof hat mit der nächtlichen Ausgangssperre buchstäblich kurzen Prozess gemacht und sie im Eilverfahren verworfen. Viele Bürger werden das als Erleichterung empfinden. Zwar gibt es aktuell nicht viel, was man zwischen 20 Uhr abends und 5 Uhr morgens draußen tun kann. Aber allein das Gefühl, nicht raus zu dürfen, kann einen bedrücken. Wer fortan nachts daheim bleibt, tut das freiwillig - vielleicht und hoffentlich auch, weil er die Appelle zur Kontakte-Reduzierung ernst nimmt. Wobei ein Spaziergang auch nach 20 Uhr niemandem schaden kann.
Allerdings gibt es ebenfalls Menschen, die sich ärgern werden. Wem die bisherigen Einschränkungen des öffentlichen Lebens noch nicht weit genug gehen beziehungsweise nicht streng genug kontrolliert werden, der hat für diese Lockerung wohl wenig Verständnis. Aber unabhängig von der individuellen Sicht sollte man sich die Ausgangslage vor Augen führen: Die Ausgangssperre wurde für Corona-Hotspots mit einer Inzidenz von mehr als 200 entwickelt. Und als der Landesdurchschnitt im Dezember fast so hoch stieg, aufs ganze Land ausgedehnt. Inzwischen beträgt der Wert noch knapp ein Drittel. Damit lässt sich dieser massive Grundrechtseingriff nicht mehr vertreten. Nun soll die Sperre nur noch dort kommen, wo es die lokale Corona-Lage erfordert. Gut so.
Dass der Stuttgarter Regierungssprecher indes die Entscheidung der Mannheimer Richter als "absehbar" bezeichnet und die gewonnene Rechtssicherheit begrüßt, ist an Dreistigkeit schwer zu toppen. Sollten der grün-schwarzen Koalition tatsächlich Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Ausgangssperre gekommen sein, hätte sie das gekonnt verborgen. Noch vor einer Woche hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann diese Maßnahme ausdrücklich verteidigt. Von der CDU ist nichts Gegenteiliges bekannt. Sind all die ministerialen Spitzenjuristen womöglich im Winterschlaf?
Und jetzt bitte nicht denken, es sei doch egal, ob die Regierung oder ein Obergericht die Sperre kassiert. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Die Justiz musste eingreifen, weil die Politik ihre Arbeit nicht gemacht hat. Peinlich, peinlich. Und schädlich, wo doch die politisch Verantwortlichen landauf, landab immer wieder beteuern, sie würden es sich mit den Einschränkungen nicht leicht machen und alles permanent hinterfragen. Hoffentlich ist das so. Wenn nicht, kommt die Klatsche aus Mannheim vielleicht gerade zur richtigen Zeit.