Die Hoffnung auf einen Deal rechtzeitig zum heutigen Gipfel löste sich gestern in Luft auf. Das bereits ausgehandelte Abkommen für einen britischen EU-Austritt entpuppte sich als zu schwierig und voller rechtlicher Fallstricke, um schnell über die Runden gebracht zu werden. Nun sollen Wunder auch beim Brexit nicht von vorneherein ausgeschlossen werden. Ein Deal noch vor dem heutigen EU-Gipfel ist theoretisch weiter möglich.
Aber Signale, die von konstruktiven Gesprächen und Annäherung sprechen, sind eben noch keine Vereinbarung. Gebraucht wird ein ausformulierter, rechtlich wasserdichter und von beiden Seiten unterzeichneter Vertrag. Den gab es bis gestern Abend nicht – wieder einmal. Das liegt aber nicht nur an erkennbaren Unsicherheiten der britischen Unterhändler. Auch auf EU-Ebene wuchs die Zurückhaltung an diesem Mittwoch von Stunde zu Stunde. Denn selbst wenn man den Sack zugemacht hätte, wären zahlreiche Ungewissheiten geblieben, ob die Vereinbarung auch die nächsten Tage und Wochen überlebt. Der britische Premierminister Boris Johnson muss jede Abmachung erst noch innenpolitisch durchsetzen. Dass ihm dies gelingt, erscheint höchst zweifelhaft.
Und damit bleibt –zurückhaltend ausgedrückt – eigentlich weiter alles offen. Der Brexit ist nicht nur zu einer unendlichen Geschichte geworden, sondern hat beide Seiten schon jetzt beschädigt. Nicht nur in London, auch in Brüssel bleiben wichtige Entscheidungen liegen– unter anderem wegen der unklaren finanziellen Zukunft der Union. Die Hoffnung auf ein erfolgreiches Ende des Ringens um einen Deal ist auch mit der Erwartung verbunden, dass die EU sich nun endlich anderen zentralen Themen zuwenden kann.
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Alles offen
Detlef Drewes über das Hickhack um den Brexit: Eine schnelle Lösung zeichnet sich noch längst nicht ab