Jetzt fliegen beide Vogelfamilien wieder, Tauben und Falken, wobei letztere, genau besehen, eine Gattung einer Familie sind. Das sei vernachlässigt, da es hier nicht vor allem um echte Biologie, sondern politische Metaphorik geht. Und dort sind die Falken, scheint es, zahlenmäßig wieder vermehrt anzutreffen, was auf der biologischen Ebene leider keine Entsprechung hat. Friedfertige, stets Möglichkeiten zur Aussöhnung Betonende, die sich im Symbol der Friedenstaube wiederfinden, gibt es zwar weiterhin, doch ihr Rufen ist angesichts der Taten eines russischen Aggressors nicht mehr so vernehmlich wie zuletzt. Und auch das war früher anders, erst recht in jener fernen Zeit vor 1990, als der Ost-West-Konflikt bestimmend war.
Damals konnte es herablassend wirken, wenn jemand als Falke charakterisiert wurde – oder anderen jemand als Taube galt. Falken, die Vögel, scheinen uns stark und angriffslustig; entsprechend stehen sie für diejenigen, die mit militärischen Optionen rasch bei der Hand sind. Ihre Kritiker werfen ihnen mangelnde Differenziertheit vor. Umgekehrt scheinen den Falken die ihnen im biologischen Sinn als (leichte) Beute geltenden Tauben nicht sehr realitätstüchtig. Im Politischen wie überall kommt man aber weiter, wenn man über beides verfügt, was man sich hier gegenseitig abspricht. Doch diese Anforderung kann auch ratlos machen, zumal man ja nie weiß, wann es mit der Differenzierung und dem Blick für oft unschöne Realitäten genug ist. Falken, scheint es, wirkten einst verdächtiger als heute. Und leider gibt es auch dafür Gründe. Thomas Groß