Junge Talente

Sopranistin Seunghee Kho ist neu am Nationaltheater Mannheim

Von 
Stefan M. Dettlinger
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Hat die Station Opernstudio einfach übersprungen: Sopranistin Seunghee Kho wird in der Saison unter anderem Mozarts Pamina singen. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Sie lächelt charmant. Ihre Geschichte am Nationaltheater beginnt nämlich mit einer bemerkenswerten Kuriosität: Seunghee Kho, deren Vornamen, so sagt sie, in etwa wie das Englische „Singing“ ausgesprochen wird, kommt eigentlich ans Haus am Goetheplatz, weil sie Mitglied des Opernstudios werden will. Den Übergang vom Studium in das Berufsleben will die junge Sopranistin gestalten, will in eine künstlerisch anspruchsvolle Gesangskarriere im Bereich Musiktheater starten - das in etwa sind die Ziele des Opernstudios, das Intendant Albrecht Puhlmann erst 2016 in Mannheim gegründet hat.

Seunghee Kho also kommt. Sie singt. Und sie singt so, dass sie nicht ins Opernstudio aufgenommen wird - weil sie nämlich kurzerhand direkt ins Opernensemble geschickt wird. Sie war schlicht zu gut fürs Studio. „Sie haben mich einfach ins feste Ensemble aufgenommen“, sagt Seunghee Kho. Und darüber muss die Südkoreanerin dann doch noch etwas verlegener schmunzeln. Fast wirkt sie, als sei ihr diese unerwartet steile Karrierekurve etwas peinlich.

Zur Person

Leben und Studium: Seunghee Kho wurde 1990 in Südkorea geboren und absolvierte ihr Abitur an einem musikalischen Gymnasium. Kurz darauf begann sie ihr Bachelorstudium im Fach Gesang an der Korea National University of Arts (2009-2013). Ab 2014 studierte sie an der Musikhochschule Mannheim bei Snezana Stamenkovic und besuchte Meisterkurse unter anderem bei Ruth Ziesak, Graham Johnson und Rudolf Piernay.

Preise: Erster Preis bei der International Opera Singers Competition „Grandi Voci“ in Salzburg und Dritter dritten Preis beim Concorso Internazionale per Cantanti Lirici „Città di Alcamo“ auf Sizilien.

Die nächsten Termine: „Ombre e luce“ (2./ 3./10./11.10.), „Die Zauberflöte“ (5./16.11., 23.12), „Hänsel und Gretel“ (28.11., 4./12./19./26.12), „Der Freischütz“ (8.4.2022). dms

Diese Frau war Maria Callas

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Etwas schüchtern wirkt sie ohnehin, wie sie nach dem Fototermin im Opernhaus auf der Bühne plötzlich im Foyer auf den schicken Barcelona-Sesseln von Mies van der Rohe Platz nimmt. Ihr Deutsch ist zwar nicht perfekt, aber gut. Sie ist ja auch schon seit 2014 im Lande und hat - wie etwa auch Bariton Nikola Diskic oder Sopranistin Tamara Banjesevic - ihr Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim bei Snezana Stamenkovic absolviert. Zum klassischen Gesang ist die 1990 geborene Kho durch die Mutter gekommen. „Sie hat immer viele Arien auf Schallplatte gehört“, sagt sie, „von Bach oder von Mozart und anderen. Ich mochte das sehr und bin deswegen auch in den Kirchenchor gegangen. Da wollte ich auch singen wie die Frau auf einer der Platten meiner Mutter.“

Diese Frau war Maria Callas, die „Primadonna assoluta“ des 20. Jahrhunderts, wie sie mitunter genannt wird. Wer Seunghee Kho bei der Eröffnung der Saison des Nationaltheaters auf der Seebühne des Luisenparks gehört hat, hat zwar sicherlich keine Stimmähnlichkeit mit der Callas feststellen können. Aber ihr „O mio babbino caro“ aus Giacomo Puccinis „Il trittico“-Drittel „Gianni Schicchi“ ließ extrem aufhorchen: Seunghee Kho offenbarte dabei eine verführerische Mischung aus Tiefe, Substanz, Kultur, Flexibilität und präziser Stimmführung. Ihr Timbre ist warm, gold schimmernd und hat Schmelz, die Stimme ist von jener Eleganz und Elastizität, die ihr Fach, das Lyrische, unbedingt braucht und das die Stimmen der großen Sängerinnen wie Anna Netrebko, Edita Gruberova oder Joan Sutherland ausmacht, um nur einige der Größten zu nennen. Seunghee Kho, so dachte man auf dem Nachhauseweg aus dem Luisenpark, dürfte den Opernfans des NTM künftig wohl noch viel Freude machen.

Und zu hören sein wird sie in dieser Spielzeit gleich in vielen Partien sein: als Fiordiligi in Mozarts Meisterwerk „Così fan tutte“, als Ännchen in Webers „Freischütz“, als Gretel in Humperdincks „Hänsel und Gretel“ sowie in der Monteverdi-Produktion „Ombra e Luce“. Als erstes steht aber die Pamina aus der „Zauberflöte“ an. Sie sang sie bereits im September zweimal, die nächste Vorstellung folgt am 5. November.

Natürlich hat eine Frau Anfang 30 große Ziele. Auf die Frage, wie sie ihre Stimme weiterzuentwickeln gedenke, sagt sie spontan: „Die Mimì will ich eines Tages singen.“ Puccinis schwindsüchtig sterbende Heldin aus „La bohème“ kann man sich auch gut vorstellen mit ihrer Stimme, die hier sicherlich „leicht“ schweben und ohne dramatische Nuancierungen oder Emphasen auskommen würde. Aber die Sopranistin weiß auch, dass jede Entwicklung im Gesang langsam gehen muss, dass sie sich ihren Lieblingskomponisten („Ich liebe Gounod, Donizetti und Mozart“) immer mit Bedacht nähern und die Stimme vorsichtig behandeln muss.

Fan von „Sherlock Holmes“

Nach Europa und Deutschland ist sie „wegen der Kultur und Sprache“ gekommen, sagt sie: „Ich kann sechs Sprachen lesen, aber nur drei sprechen.“ Neben ihrer Muttersprache und Englisch sind das - opernüblich - Italienisch, Französisch, aber auch Tschechisch und Russisch.

Nicht immer ist es leicht, viel von Seunghee Kho zu erfahren. Sie verrät noch, dass sie sich „nicht so sehr“ für Politik interessiere, dafür aber spannende Filme möge, Filme wie die Reihe von „Sherlock Holmes“. Die Frau, die auch Klavier, Geige und - man staune - Drumset spielt, blüht aber kommunikativ erst etwas auf, wenn sie von der Kultur und der Musikkultur Koreas spricht. Sie seien, so Seunghee Kho, stark durch die japanische Kultur geprägt, ist Korea doch offiziell erst seit der Kapitulation Japans 1945 von Japan unabhängig und existiert als Staat seit 1948. „Die koreanische Musik“, sagt sie, „ist innerlich und traurig oder melancholisch, nicht laut wie die chinesische.“

Insofern passt die Zurückhaltung der neuen NTM-Sopranistin exzellent zu ihrer Herkunft. Auch sie ist nicht offensiv und laut, sondern eher dezent. Und Melancholie hat noch keiner Künstlerin geschadet. Zunächst aber bleibt einmal vor allem eine fantastische Stimme und dieses charmante Lächeln.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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