Kleines Prag

Die tschechische Barockstadt Olmütz überlebte die Pest, den Dreißigjährigen Krieg und andere Schicksalsschläge. Jetzt empfängt sie wieder Gäste aus den Nachbarländern.

Von 
Marc Vorsatz
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Stolze 35 Meter hoch: die Pestsäule © Marc Vorsatz

Es sind ja nie allzu viele gewesen“, sagt Stadtführerin Milena Porc mit Blick auf die vergangenen Monate. „Unser tausendjähriges Olmütz stand seither im übermächtigen Schatten von Prag. Aber irgendwie fehlten sie schon sehr im Stadtbild, die Touristen und Wallfahrer aus Deutschland und von anderswo. Auch unser buntes Studentenleben lag komplett am Boden.“ Umso mehr freut sich die tschechische Kunststudentin, dass sich das Leben in ihrer Barockstadt wieder normalisiert und sie Gäste durch die historischen Gassen führen darf.

olmütz

Anreise Von Stuttgart mit dem Auto über die A 6 und E 50 via Prag nach Olmütz. Alternativ bequem mit dem Zug, www.bahn.de, oder mit Flixbus, www.flixbus.de.

Unterkunft Das Theresian Hotel residiert in einem repräsentativen Altbau und bietet persönlichen Service. Doppelzimmer ab 87 Euro, www.theresian.cz.

Das Hotel NH Collection Olomouc verfügt über ein Fitness- und Wellnesscenter, DZ ab 69 Euro, www.nh-hotels.de.

Aktivitäten Noch bis 1. September 2020 finden jeweils von 16 bis 17 Uhr die Promenadenkonzerte unter freiem Himmel statt. https://letni.olomouc.eu/promenadni-koncerty/.

Allgemeine Informationen Informationszentrum Olomouc, http://tourism.olomouc.eu; www.czechtourism.com.

Olmütz oder Olomouc, so der tschechische Name, gilt als die schönste Stadt von ganz Mähren. Ein barockes Juwel, das auf eine mehr als wechselvolle Geschichte mit lichten Höhen und abgründigen Tiefen zurückblickt. Bis zum Ersten Weltkrieg war Olmütz ein überwiegend von Deutschen besiedelter Ort, ja einst sogar böhmische Königsstadt. Der Kelch mit Pest, Hungersnöten und Dreißigjährigem Krieg ging auch an Olmütz nicht vorbei. Doch die Stadt erhob sich immer wieder neu wie Phönix aus der Asche. Der elfjährige Mozart komponierte hier seine 6. Sinfonie, als er sich im Kapiteldekanat von den Pocken kurierte. Gustav Mahler wirkte am Königlich Städtischen Theater als Kapellmeister. Feldmarschall Graf Radetzky blies seinen Kadetten gehörig den Marsch, aber auch Hitlers Leibarzt Theodor Morell produzierte dort Hormonpräparate für seinen „Patienten A“ und andere Nazi-Größen. Dann übernahmen die Kommunisten das Regiment und das altehrwürdige Olmütz versank in ein realsozialistisches Grau-in-grau.

Heute strahlt die mährische Universitätsstadt wieder im Glanz aus besten Tagen. Eine wahre Augenweide ist der Oberring mit seinen schmucken Patrizierhäusern. Im Zentrum thront das Olmützer Rathaus mit der astronomischen Uhr, die der sächsische Uhrmacher Anton Pohl im Jahre 1422 erschuf. Sie steht in ihrer Pracht dem ebenfalls von Pohl erbauten Pendant in Prag in nichts nach.

Ein paar Meter weiter zieht die reich verzierte Pestsäule, auch Dreifaltigkeitssäule genannt, alle Aufmerksamkeit auf sich. 18 Heiligenfiguren zieren die unteren drei Etagen, die vergoldete Statuengruppe der Dreifaltigkeit an der Spitze verleiht diesem Meisterwerk der Architektur einen strahlenden Glanz. Mit 35 Meter Höhe es das größte Bauwerk seiner Art im Gebiet der ehemaligen Habsburgermonarchie. Die Olmützer errichteten sie aus Dankbarkeit über das Ende der drei lange Jahre wütenden Pest. Olmütz ist auch eine Stadt der lebendigen Gegenwartskultur. In diesem Corona-Sommer geht es dagegen etwas ruhiger zu. Tägliche Promenadenkonzerte unter freiem Himmel sorgen für willkommene kulturelle Farbtupfer. Auch das internationale Flamenco-Open-Air-Festival konnte grade wieder stattfinden. Aber egal, warum es die Besucher in die mährische Schönheit zieht, ihr berühmter goldfarbener Taler vereint sie – fast – alle: der Olmützer Quargel! Er ist das Pendant zum Harzer Roller. Ein echter Stinkerkäse, seit dem 15. Jahrhundert nun schon. Einfach unwiderstehlich!

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