Abenteuer Assam

Kleine Fischerboote, ein paar Fähren - lange Zeit war kein großes Schiff auf dem Brahmaputra unterwegs. Mit der "MV Mahabaahu" fährt nun ein Luxusliner auf dem wildesten Fluss Indiens.

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Wer staunt mehr: die Einheimischen über die Touristen oder umgekehrt?

© Katrin Schreiter

Manchmal bestimmt ein Bambusstab den Kurs. Wenn der Brahmaputra wenig Wasser führt und der angespülte Sand die Fahrrinne verändert hat, loten die Männer vom Markerboot per Hand die Untiefen aus und weisen dem Kapitän den Weg. Mit geübten Handgriffen lassen sie den Stab in die Wellen gleiten und messen den Wasserstand des Flusses.

INDIEN

Anreise Mit Lufthansa oder Air India (www.lufthansa.com, www.airindia.com) von Frankfurt oder München nach Delhi. Weiter mit Jet Airways (www.jetairways.com) nach Jorhat (Zwischenstopp) bzw. nonstop nach Guwahati mit IndiGo (www.goindigo.in).

Ein- und Ausreise Für Indien ist ein Touristenvisum nötig. Dafür muss vorab zunächst online ein E-Tourist-Visaantrag unter https://indianvisaonline.gov.in/visa/tvoa.html ausgefüllt und zusammen mit dem Pass an die Botschaft geschickt werden. Beides wird per Post zurückgeschickt. Kosten: 67 Euro. Der Reisepass muss noch mindestens sechs Monate gültig sein.

Flusskreuzfahrt Die "MV Mahabaahu" kreuzt seit 2011 als einziges Schiff von gehobenem Standard auf dem Brahmaputra. Es bietet von Oktober bis Mai achttägige Touren zwischen den Städten Jorhat und Guwahati an (www.mahabaahucruiseindia.com). 8 Tage/7 Nächte kosten ab 2150 Euro pro Person in der Doppelkabine. Die Brahmaputra-Kreuzfahrt kann z. B. über Daktari Travel (www.daktariexpeditions.com) oder Indien Discover (www.indien-discover.de) gebucht werden. Kreuzfahrten auf anderen indischen Flüssen wie dem Ganges bieten u. a. Phoenix Reisen (www.phoenixreisen.com) oder Lernidee (www.lernidee.de) an.

Was Sie tun und lassen sollten Küssen, Arm in Arm gehen und andere Zärtlichkeiten sind in der Öffentlichkeit unerwünscht und gelten als anstößig. Alkohol in Maßen konsumieren; auf keinen Fall sollte man Leitungswasser trinken. Inder lassen sich gerne fotografieren, doch sollte man nicht ungefragt Bilder von ihnen machen. Tipp: Wer bereit ist, sich gemeinsam mit Indern aufnehmen zu lassen, wird danach keine Probleme beim Fotografieren haben.

Allgemeine Informationen Indisches Fremdenverkehrsamt, Tel. 069 / 2 42 94 90, www.incredibleindia.org

Acht Fuß - rund 2,50 Meter - Wassertiefe unterm Kiel braucht Pankaj Kumar Das, um seine "MV Mahabaahu" sicher auf dem Brahmaputra steuern zu können. Für den 42-Jährigen, der auf dem Kreuzfahrtschiff nicht Käpten, sondern Master genannt wird, ist die gelegentliche Tiefenbestimmung mit dem Bambusstab kein Grund zur Beunruhigung. Ganz im Gegenteil: "Ich liebe diese Abwechslung", sagt der große, kräftige Mann, der am liebsten im lässigen Blaumann auf der Brücke steht.

Heute haben die Männer vom Markerboot Pause, die Fahrrinne ist tief genug. Fast gemächlich zieht die Landschaft vorbei. Mit elf Knoten, einem angemessenen Tempo für eine Reise, deren Thema Wellness auf indische Art heißt. Die "MV Mahabaahu" ist das einzige Luxuskreuzfahrtschiff, das den Brahmaputra von Jorhat bis Guwahati befährt. Bis zu 46 Gäste kann es auf der 320 Kilometer langen Tour durch Assam beherbergen.

Der Brahmaputra übernimmt die Animation

21 Kabinen, die meisten davon mit Balkon, zwei Suiten, Korbmöbel auf dem Sonnendeck, Ayurveda im Massageraum, Cocktailbar in der Lounge, Bibliothek zum Schmökern und mehrmals täglich Bestes aus der indischen Küche - das alles trägt die Handschrift einer warmherzigen Frau: Kreuzfahrtdirektorin Neena Morada leitet die Geschicke an Bord. "Das ist kein Schiff, das Menschenmassen durch die Gegend fährt und ständig Bordunterhaltung bietet", sagt die 54-Jährige. "Wir brauchen keine Animation - wir haben den Brahmaputra: turbulent, wenig befahren, mit viel Kultur und Natur für reizvolle Landgänge."

Der 3100 Kilometer lange Fluss entspringt im Himalaja. Er fließt durch China, Indien und Bangladesch bis in den Golf von Bengalen. Während des Monsuns von Juni bis August überschwemmt er jedes Jahr weite Teile der Landschaft, spült dabei gigantische Mengen Sand und Schutt mit sich, die die Region immer wieder verändern. Doch in der Kreuzfahrtsaison umfließt der Sohn des Gottes Brahma, wie der Brahmaputra übersetzt heißt, seicht die Inseln mit ihren grauweißen Dünen, die Neena Morada gern mit ihren Gästen für die morgendlichen Yogaübungen nutzt.

Nach der sandigen, beschaulichen Kulisse wird es plötzlich farbenfroh und lebhaft: Saftig grüne Bananenpflanzen und Palmen säumen die Ufer, bunte Wäsche flattert im Wind. Wie eine große Apfelsine hängt die Sonne in einem großen Seidenwollbaum und lässt die roten Blüten leuchten. Zwei Frauen waschen ihre Wäsche im Fluss, Kinder winken aufgeregt herüber - die Passagiere der "MV Mahabaahu" werden auf Majuli erwartet. Die mit 420 Quadratkilometern größte Flussinsel Indiens wird jedes Jahr vom Brahmaputra mehr oder weniger unter Wasser gesetzt. "Wir haben uns darauf eingestellt", sagt Jyoti Sakma vom Volksstamm der Mishing. "Unsere Häuser stehen auf Stelzen, für unser Vieh haben wir schwimmende Plattformen, und an manchen Tagen fahren wir mit dem Boot zum Einkaufen oder in die Schule."

Die Mishing, die auf der Insel Majuli zu Hause sind, haben ihre eigene Kultur und Sprache. Ihre Religion ist eine Mischung aus hinduistischen und animistischen Elementen. Hier liegt das wichtigste spirituelle Zentrum von Assam, in dem vor allem Vishnu verehrt wird. Wie im Kamblabari Satra, wo die Vaishnavite-Priester zweimal täglich Trommeln schlagen und zum Gebet rufen. Weiß gewandet tanzen die Männer, stampfen barfuß und drehen sich im Kreis.

Alte Tempel und traditionelle Klöster, ursprüngliche Dörfer und eine typische Teeplantage stehen auf dem Programm. Dazwischen viel Zeit, um das süße Nichtstun zu pflegen oder die Tierwelt auf einer Safari zu bestaunen - im Schritttempo eines Elefanten. Im Kaziranga-Nationalpark schaukeln die Besucher 3,50 Meter über dem Erdboden durchs Gras - vorbei an Rotwild, an Büffeln und an seltenen Panzernashörnern. Die Elefantenführer lenken ihre grauen Riesen geschickt durch die weitläufige Landschaft. Nur wenn ein Elefant glaubt, den Anschluss verpasst zu haben, weil die Herde schon hinterm nächsten Hügel verschwunden ist, tönt sein kräftiges Trompeten durch die Morgenstille.

Ob er gern mit auf Safari gehen würde? "Das muss ich gar nicht", sagt Pankaj Kumar Das. "Ich habe auch vom Schiff aus schon Tiger entdeckt." Außerdem sehe er Delfine und Eisvögel, Schildkröten und Streifengänse. "Brahma, der Schöpfer des Lebens, ist immer mit dabei", kommentiert er die artenreiche Fauna. Hilft er auch, wenn das Schiff auf Grund läuft? Pankaj Kumar Das lacht. "Der Brahmaputra ist unberechenbar, aber unsere Reisepläne hat er noch nie durchkreuzt."

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