Album-Review Deutsch-Rap

Neues Album von Bausa mit Apache 207, Sido, Juju und Marteria

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Bausas drittes Album "100 Pro". © Downbeat Records

Bietigheim-Bissingen/Ludwigshafen. Deutsch-Rap-Star Julian Otto alias Bausa könnte sich sorgen, dass ihm der Erfolg seiner Entdeckung Apache 207 über den Kopf wächst. Aber sein drittes Album „100 Pro“ macht schon mit den kraftstrotzenden ersten Klängen des Openers „Paradox“ klar, dass man ihn nicht ohne Weiteres überstrahlen kann. Außerdem bindet er den Senkrechtstarter aus Ludwigshafen gekonnt in das poppige „Madonna“ ein ("Alle spiel'n verrückt, denn du bist wie Madonna / 1986, MTV, Madonna /Männer ohne Seele sind verliebt, Madonna / Mein Herz wurd gestohl'n, du bist der Dieb, Madonna“). Und parodiert die Gerüchte um Label-interne Konflikte mit einem witzigen Wrestling-Video.

Ein logischer Nummer-eins-Hit und erst das zweite Apache-Auswärtsspiel überhaupt. An das Klassiker-Niveau des ersten, Sidos „2002“, kommt diese Hommage an die Queen of Pop trotz aller Eingängigkeit nicht ganz heran.   Und der langhaarige Zwei-Meter-Hüne von Bausas eigenem Label ist nicht der einzige hochkarätige Gast des 31-Jährigen aus dem Pur-Städtchen Bietigheim-Bissingen: Mit Juju, Rin, Ufo361 und (einem in „Weisst wie es ist“  gar nicht mal so guten) Sido geben sich weitere Schwergewichte des Rap-Business die Ehre. Besonders  auffällig: die beiden tiefdröhnenden Einlagen des Hamburgers Bozza. Besonders interessant klingt das lässige Duett „Marlboro Lights“ mit Marteria, weil Bausa und der Rostocker sich in Stimmlage und Rap-Duktus stark ähneln.
Tatsächlich lässt sich der Schwabe angenehm hören, wenn er nicht extrem auf dem Autotune-Regler ausrutscht.  Auch für Leute, denen beim sonst handelsüblichen Straßenrap-Palaver die Gehirnzellen vor Verzweiflung absterben. Bausa formuliert zwar nicht so elegant wie der frühe Kollegah, Sido oder die „Studenten-Rapper“. Aber ihm gelingen auf diesem fast komplett familientauglichen Album auch mal amüsante Zeilen wie „Meine Gema macht Helene Fischer atemlos“. Stimmt zwar schon deshalb nicht, weil die Schlagerkönigin ihren größten Hit gar nicht selbst geschrieben hat und damit nicht von der Gema-Abrechnung für Urheber profitiert. Ist aber hübsch, zumal der Rapper 2017 mit „Was du Liebe nennst“ selbst einen der selten gewordenen Millionenseller gelandet hat - inklusive Diamond Award. Aber Bausa traut sich auch an nachdenkliche Töne: In „I.N.S.“ erzählt er vom Stellenwert des Glaubens in seinem Leben und reflektiert zusammen mit Rin über die dunklen Seiten der eigenen Männlichkeit. Das ist für das immer noch sehr frauenfendliche, Macho-dominierte Genre doch mal ein Anfang. Denn auch ansonsten schafft es Bausa, die genretypischen musikalischen Actionfilmchen und Aufsteigergeschichten ohne ein Übermaß an gewaltverherrlichenden, homophoben oder misogynen Töne zu erzählen. Im Idealfall gelingen ihm da kleine Sozialstudien, die auch für Rap-Allergiker interessant sein können. Dazu kommt, dass er eine rare Kreuzung aus Rapper und Musiker ist – er spielt Gitarre und Klavier, kann passabel singen, produziert im eigenen Studio. Und er hat Geschmack – wie seine Verbeugung vor „King Kendrick“ (Lamar) beweist.  Daher bieten diese zwölf Songs in knackigen 37 Minuten mehr Abwechslung, Ideen und Atmosphäre als ein ganzer Regalmeter „normaler“ deutscher Gangsta-Rap. Von daher ist es eine gute Nachricht, dass „100 Pro“ nicht wie angekündigt Bausas letztes Werk ist – er soll schon zwei weitere auf der Festplatte haben.
(Downbeat Records/Warner Music)

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