Der Fluss bietet ganz neue Perspektiven – sogar auf bekannte Landschaften. In Neckargemünd kann man sich dafür Kanus leihen und auch Mehrtagestouren unternehmen.
- Campingplatz an der Friedensbrücke, Falltorstaße 4, 69151 Neckargemünd. Internet: hochseilgarten-neckargemuend.de
- Geöffnet: Nach Terminvereinbarung unter
- Eintrittspreise: Stundenweise ab 14 Euro pro Person. Arrangements und Tourpakete.
Anfahrt
- mit dem Auto: B 37 aus Heidelberg.
- mit dem Rad: Beschilderter Rad-weg aus am Neckar entlang.
- mit ÖPNV: S-Bahn bis Neckargemünd, dann ca 15 Minuten zu Fuß Richtung Friedensbrücke, davor links in die Post- und Falltorstraße.
Leichtes Plätschern – sonst keine Geräusche. Im Boot auf dem Neckar dahinzugleiten, ist ganz sicher eine der schönsten Möglichkeiten, daheim Urlaub zu machen und sich zu entschleunigen. Der Kanuverleih Neckargemünd ermöglicht das – auch kurzfristig, aber nur nach Voranmeldung. Irgendwann in einem früheren Leben war Thomas Striffler im Vertrieb eines Saatgutherstellers angestellt. Dann zog es ihn in die Freiheit – und die fand der Heidelberger quasi vor der Haustüre. 16 Jahre ist das nun her. Heute vermietet er den Sommer über in Neckargemünd 40 Boote: robuste Kanadier vor allem, in denen zwei bis vier Personen Platz haben.
„Ohne Einweisung kommt mir keiner ins Boot“: Da wird Striffler, der seinen Kunden gerne sofort das Du anbietet und sie sympathisch freundschaftlich anspricht, ganz streng. Wir stehen in Nachbarschaft zum Campingplatz am Ufer, über uns queren Autos auf der Brücke den Fluss, auf den wir uns nun begeben wollen. Und so erklärt der Chef jedem, dass die Paddler in Ufernähe bleiben sollten und immer mit nahenden Schiffen rechnen müssen. Die Großen – neben Lastschiffen auch die Ausflugsschiffe der Weißen Flotte – haben nicht nur Vorfahrt, sondern bringen den Kanadier auch durch ihre Bugwellen in Bewegung. Das kann Neulinge überraschen.
Thomas rät allen, eine Schwimmweste überzustreifen. Kinder und ihre erwachsenen Begleiter müssen in jeden Fall eine tragen. Aus dem Laderaum seines weißen Transporters holt der Bootsverleiher die dick gepolsterten Sicherheitswesten. Dann laufen wir zu einem langen Anhänger, auf dessen Gestänge mehrere Kanadier warten.
Mit Muskelkraft ins Wasser
Oha, so ein Boot wiegt mehr als gedacht. Zu viert tragen wir das Gefährt Richtung Rampe und lassen es sanft ins Wasser gleiten. Nacheinander steigen wir ein und suchen unseren Platz auf quer in den Bootskörper eingelassenen Sitzen – leicht schwankend und das gemeinsame Gleichgewicht im Bootskörper suchend. Anders als beim Rudern schlüpfen wir nicht unter Abdeckungen und haben auch keine „rutschenden“ Plattformen unter uns.
Jeder bekommt ein Kunststoffpaddel in die Hände. Thomas zeigt, wie man ihn richtig in den Fluss sticht und durch das Wasser zieht. Wer’s perfekt machen will, übt Bogenschlag, Grundschlag und J-Schlag, um das Kanu – das ist der Oberbegriff für Kanadier und Kajaks – anzutreiben. Während zum Kajak Doppelpaddel gehören, fährt man Kanadier sitzend oder kniend mit einem Stechpaddel. Für unsere Test-Tour steigt Thomas mit ein und übernimmt dankenswerterweise auch gerne die Rolle als Steuermann. „Ob Du’s glaubst oder nicht, in diesem Moment bin ich zum ersten Mal in dieser Saison selbst auf dem Wasser“, sagt er – und schaut zufrieden aus. Das Coronavirus hat auch den Bootsverleih am Neckar mehrere Wochen ins Wanken gebracht. Vor allem gebuchte Touren wie Firmen- und Klassenausflüge fielen ins Wasser, mussten storniert oder umgebucht werden. Das Gleiche galt für Junggesellenabschiede, die sonst gerne mit einer Paddeltour verknüpft werden. An dieser Stelle wird Strifflers Blick wieder streng: Alkohol sei an Bord seiner Boote nur in kleinsten Mengen gestattet: Auf den Wasserstraßen gilt wie auf Asphalt eine Promillegrenze von 0,5.
Gleich um die Ecke der Wasserrampe öffnet sich eine komplett neue Welt: Wir gleiten in die schmale Elsenzmündung. Das Ufer ist dicht bewachsen, wenige Häuser säumen das Tal. Von der Hektik einer Universitätsstadt sind wir hier sehr weit entfernt. Eine ehemalige Neckar-Fähre aus Holz verbringt hier ihren Ruhestand. Hausboote liegen für lange Zeit vor Anker. Wunderschön.
Ein kleiner Navigationsfehler, der Steuermann ist durch einen Handyanruf abgelenkt, es folgen nicht abgesprochene Paddel-Bewegungen: Wir hängen mit dem Bug des Kanadiers in dichten Brombeerranken. Nicht der schlechteste Kurs, wie sich nach dem ersten Schreck zeigt: In Greifnähe blicken uns dicke, dunkle Früchte an, die einfach köstlich schmecken. Apropos: Gerne nehmen Gäste ein Picknick mit an Bord und genießen es, während sie sich treiben lassen.
Anekdoten verknüpfen sich ebenfalls mit dem Bootsausflug – etwa wenn Ausflügler enthusiastisch von einem „Flamingo“ berichten, den sie aus der Entfernung gesehen haben wollen. Thomas Striffler lächelt dann, denn er weiß genau, an welcher Stelle der künstliche Vogel vor Anker liegt. Auch eine Wasserschlange hat mal eine Saison lang für Gesprächsstoff und Schlagzeilen gesorgt. Zwei Angler am Campingplatz Neckarsteinach hatten von dem „Riesen-Tier“ 2006 berichtet und damit mächtig Wellen geschlagen. Später sollte sich die Schilderung als in Bierlaune geborener Spaß herausstellen. Glaubwürdig wurde der Bericht indes mit dem Verweis darauf, dass vier Jahre zuvor beim Fähranleger Neckarhausen tatsächlich eine vier Meter lange, tote Königsboa aus dem Fluss gezogen worden war. „Seemannsgarn“ wird also auch auf dem Fluss gesponnen.
Immer häufiger gleiten Stehpaddler an den Kanus vorbei. Solche Bretter hält Striffler wegen des steinigen Ufers und der Sturzgefahr aber für zu gefährlich auf diesem Neckarabschnitt. Er verleiht daher keine.