Ob das stimmt? Alleskönner Leonardo da Vinci soll der erste Schwalbenbauer gewesen sein: Der Konstrukteur, Astronom und Maler war angeblich gerade dabei, seine berühmte Mona Lisa zu malen. Doch sein Modell hatte keine Lust mehr still zu sitzen. Da faltete Leonardo ein Blatt Papier und ließ es durchs Atelier segeln. Prompt soll die Dame milde gelächelt haben – ihr berühmtes, geheimnisvolles Lächeln, das Leonardo angeblich sofort gepinselt hat.
Papierflieger basteln
- Von Falke über Kunstflieger bis zum Düsenjet: Unter https://einfach-basteln.com/faltanleitungen/papierflieger/ gibt es tolle Anleitungen zum Basteln von verschiedenen Papierflieger-Typen, erklärt anhand vieler Bilder und auch in Videos. Weitere Bauanleitungen unter www.papierfliegerei.de.
- Ein Buch-Klassiker ist „Blitzschnelle Papierflieger“ von René Lucio und Jan Spütz, im Verlag gondolino erschienen.
- Das Video, in dem Alexander Gerst sein Exemplar fliegen lässt, gibt es hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=4LYwfmPHusM.
Den ersten Papierflieger-Flug, der nachweislich im Geschichtsbuch endet, veranstaltet – nein, kein Schüler – sondern ein leibhaftiger Mathe-Lehrer: August Wilhelm Zachariae will 1809 in der thüringischen Klosterschule Roßleben mit einer Art segelnden Kehr-Schaufel aus Papier Flugeigenschaften demonstrieren.
Grundregeln beachten
Gute Idee, finden später auch Menschen, die selbst in die Luft gehen wollten, wie etwa die Gebrüder Wright in Amerika. Vor ihrem Start mit dem ersten Motorsegler im Jahre 1903 werfen sie sicherheitshalber erst mal allerlei Papierversionen ihrer selbstgebastelten Flatterkiste in die Höhe. Mit solchen Crashs enden ja bekanntlich viele Papierflieger, die Schüler unterm Tisch falten, um sie dann hoffnungsvoll und mit Schwung zu werfen. Schluss damit! Die nächsten Flieger werden anmutig durch die Lüfte segeln. Vorausgesetzt, sie sind genau gefaltet – etwa nach den Anleitungen von René Lucio und Jan Spütz.
Diese beiden Schwalben-Experten haben ihre besten Modelle im Buch „Papierflieger“ so beschrieben und gezeichnet, dass jeder sie nachbauen kann. Vorausgesetzt, man beachtet ein paar Grundregeln. Am besten geeignet ist Fotokopier- oder Schreibmaschinenpapier. Ganz wichtig: die perfekte Faltung! Dort, wo das Papier gefaltet werden soll, am besten eine Linie „vorrillen“, rät René Lucio. So ist das Papier entlang der Faltlinie leichter zu knicken. Den Knick, etwa zwischen Flügel und Rumpf aber nicht zu scharf falten, denn sonst hängt der Flügel schlaff nach unten.
Auf Symmetrie getrimmt
Außerdem müssen gute Flieger absolut symmetrisch sein, sonst bekommt die Schwalbe „Schlagseite“ und gerät ins Trudeln. Zur Kontrolle den Flieger am besten der Länge nach direkt vor die Nase halten, dann sieht man grobe Konstruktionsmängel am besten. Den feinen Fehlern hingegen kommt man erst durch Probeflüge auf die Spur. Also nicht gleich aufgeben, wenn der Papierflieger nach den ersten Starts eher unbeholfen in der Luft liegt. Denn jetzt ist das „Trimmen“ angesagt. So nennen es die Experten, wenn Papierflieger hier noch ein bisschen nachgefaltet und dort noch ein wenig hingebogen werden. Solange, bis die Schwalbe vom Start bis zu Landung gleichmäßig fliegt.
Wer das hinkriegt, hat den Schwalben-Pilotenschein geschafft und kann sich bei Papierfliegerwettbewerben anmelden. Schulen veranstalten sie, Museen und Städte. Einer der größten ist „Red Bull Paper Wings“ – die inoffizielle Weltmeisterschaft, die 2019 wieder stattfinden soll, wahrscheinlich im Salzburger Hangar 7.
Tausende Bastler treffen sich vorher weltweit zu „Qualifikations-Flugtagen“ in Hallen oder Flugzeughangars und lassen ihre neuesten Modelle um die Wette segeln. Sie treten an in Disziplinen wie „Weitester Flug“, „Längster Flug“ und Kunstflug. Alles nach Regeln, die ebenso präzise sind, wie die Flieger gefaltet sein müssen: Festgelegt ist beispielsweise, dass alle einheitliches Din-A4-Papier nutzen und vor Ort falten müssen. Nur eine Person darf den Flieger dann werfen, Hilfsantriebe wie Katapulte sind verboten. Jeder hat zwei Versuche, Übertreten führt zur Disqualifikation.
Die erste Flugschau dieser Art war bis heute eine der größten. Sie fand im Jahre 1966 in Amerika statt. Die Wissenschaftszeitung „Scientific American“ hatte zum ersten internationalen Papierflieger-Wettbewerb aufgerufen – unter anderem mit einer ganzseitigen Anzeige in der „New York Times“. Eine Schnapsidee? Keineswegs, das beweist schon die Besetzung der Jury: Acht Fachleute sollten die Papierflieger bewerten, darunter ein Luftschiffkapitän, eine Fallschirmsprungmeisterin und ein Aerodynamiker.
Die Experten hatten gut zu tun: Etwa 12 000 Papierfliegermodelle kamen in der Redaktion an – in Keksdosen, Schuhkartons und Papprollen. Die meisten Flieger hatten Kinder gebastelt. Schon damals hatten die Wissenschaftsredakteure strenge Regeln aufgestellt: Jeder Flieger musste zunächst den „Flur-Test“ bestehen und einen solchen entlang fliegen ohne gegen die Wände zu stoßen.
Alle Flieger, die nach dem „Flur-Test“ noch im Rennen waren, traten bei einem Flugtag in der New Yorker Hall of Science gegeneinander an. Dann verkündete die Jury die Sieger in den Klassen Flugweite, Flugdauer, Kunstflug und Konstruktion.
Seit diesem Wettbewerb hat sich eine kreative Szene der Papierflieger-Bastler entwickelt. Im Internet tauschen sie Erfahrungen und neueste Kniffe beim Schwalbenbau aus, etwa auf Seiten wie www.papierfliegerei.de. Und alle himmeln sie Ken Blackburn an. Der Amerikaner aus St. Louis konstruiert im Hauptberuf richtige Flugzeuge, kann aber auch in seiner Freizeit nicht die Finger von den Fliegern lassen.
Rekord in der Sporthalle
Papierschwalben sind seine Leidenschaft – vor allem solche, die besonders lange fliegen. Davon hat Blackburn schon unzählige gefaltet und damit viele Weltrekorde aufgestellt, etwa am 8. Oktober 1998 in der Sporthalle „Georgia Dome“ in Atlanta: Anlauf, dann den Rücken so weit nach hinten durchbiegen, dass der ausgestreckte Arm mit dem Flieger fast den Boden berührt und die Schwalbe in einer gleichmäßigen Bewegung nach oben abwerfen. Sie steigt bis unter das Dach der Sporthalle, zieht ihre Kreise und kommt erst nach 27,6 Sekunden wieder runter. Weltrekord! Bis heute war keiner besser.
Inzwischen ist das Bauen von Papierfliegern in Schulstunden kein Streich mehr, sondern in Mathe und Physik Unterrichtsstoff. Die Wissenschaftssendung „Quarks & Co“ vom WDR hat sich mit dem Thema befasst, und Astronaut Alexander Gerst demonstrierte in der Reihe „Flying Classroom“, wie eine Schwalbe in der Schwerelosigkeit segelt.