Die neben weiteren Auszeichnungen allein vier Oscars für Bong Joon-hos eigenwilliges Sozialdrama „Parasite“ im Jahr 2020 waren nur das deutlichste Zeichen dafür, dass das südkoreanische Kino weltweit Anerkennung findet. Preise auf internationalen Festivals sind schon Jahre zuvor ein Indikator dafür gewesen. Der neue Film des Regisseurs Park Chan-wook, „Die Frau im Nebel“, der jetzt in die Kinos kommt, wurde vergangenes Jahr in Cannes mit dem Regiepreis geehrt. Doch schon mit früheren Werken hat der Filmemacher eindrucksvoll bewiesen, dass er zu den herausragenden Kinokünstlern seines Landes zählt.
Mit „Die Frau im Nebel“ hat Park Chan-wook erneut einen Thriller gedreht. Stilistisch orientiert er sich dabei am klassischen Film noir, und auch Grundzüge der Handlung, die von einem abgebrühten Kriminalkommissar und einer Verdächtigen erzählt, die den Ermittler zunehmend fasziniert, sind aus dem Genre bekannt. Alles Weitere entwickelt sich hier allerdings jenseits des Gewohnten und unterstreicht sowohl den Eigensinn des Regisseurs wie die künstlerische Klasse des Films.
Er arbeitet auch nachts
Weil ihn seine ungelösten Fälle nicht ruhen lassen, nutzt der langjährige Polizist Jang (Park Hae-il) auch die Nachtstunden für seine Ermittlungen. Seine Frau und sein Sohn wohnen in einer anderen Stadt, und die Nüchternheit der Gattin unterstreicht nur die Distanz, die schon räumlich zwischen den Eheleuten besteht. Die junge, attraktive Witwe eines ums Leben gekommenen wohlhabenden Mannes wirkt da ganz anders. Zu diesem Eindruck trägt auch bei, dass sie, Song (Tang Wei), aus China stammt und es zwischen ihr und dem Polizisten Verständigungsprobleme gibt. Da Jang nicht glaubt, dass ihr Mann bei einer waghalsigen Klettertour abgestürzt ist oder sich selbst in die Tiefe stürzte, beginnt er, die Frau zu beschatten. Doch schon bald hat der sonst so hochprofessionell Agierende Schwierigkeiten, zu ihr Abstand zu wahren, was die Frau noch zu verstärken weiß.
In kühle, verschattete Bilder ist der Film gekleidet. Das entspricht dem Genre; hingegen wollen die ironischen Noten und humoristischen Details der Handlung, zu denen etwa unbeholfene Polizeiassistenten beitragen, nicht recht dazu passen. Ein Stilprinzip ist es hier geradewegs, dass sich die Dialog- und Handlungsebene und diejenige der Bilder regelmäßig voneinander wegbewegen, und das nicht nur deshalb, weil Assoziationen und spontane Erinnerungen des übermüdeten Jang immer wieder dessen Aufmerksamkeit trüben. Eine surreale Ebene durchzieht den Film alsbald und gewinnt zuweilen die Oberhand, wodurch seine außergewöhnliche visuelle Kraft noch intensiver wirkt.
Zugleich verstärkt sich ein Zug ins Melancholische, der die Hauptfiguren umweht und zunehmend auch die Bildsprache prägt. Welche Wendungen der Film dann nimmt, erlebt man besser selbst. Ein kraftvoll-bewegendes Ende darf man übrigens auch noch von diesem besonderen Stück Kino erwarten – und Bilder, die einen noch lange begleiten können.