Mannheim. Jeder sieht ihn, blickt erwartungsvoll in seine Richtung, voller Vorfreude: der Vorhang im Theater. Er ist etwas, „mit dem jeder Theaterfreund etwas anfangen kann“, sagt Heidrun Deborah Kämper. So begründet die stellvertretende Vorsitzende der Freunde und Förderer des Nationaltheaters, warum der Verein im Zuge der Generalsanierung über seine Kampagne „Bühnenstoff“ 90 000 Euro an Spenden zwei neue Vorhänge, für das Opernhaus und für das Schauspielhaus, finanzieren will. Ein Vorhang ist mit 40 000 Euro schon bezahlt, ein zweiter Vorhang für das Schauspiel fehlt noch.
Mit der Spendenaktion zur Generalsanierung sollten das Engagement und die langjährige Treue der Mitglieder „besonders deutlich“ werden, sagt Christian Haas, der Vorsitzende der Freunde und Förderer. „Der Theatervorhang ist für mich etwas Emotionales, Haptisches, fast Sinnliches“, für die Spender werde ihre Unterstützung „sichtbar und greifbar“, nennt Haas die vor allem von Heidrun Deborah Kämper betreute Kampagne „großartig“.
Im Herbst soll ein Buch rund um den Vorhang erscheinen
„Weil er weithin sichtbar ist“ – das ist in den Augen von Kämper der Grund, warum der Verein sich die Vorhänge ausgesucht hat. Hier bestehe „der erste oder engste Bezug zum Theater, da wird eine nahbare Verbindung aufgebaut, das Objekt ist greifbar und vielleicht auch sinnlich erlebbar“, findet sie. Die Resonanz bestätige ihre Annahme: Der Verein befinde sich mit der Spendenaktion „auf gutem Weg, dieses Ziel zu erreichen, wir müssen ihn aber noch ein Stück gehen“, so Kämper, zumal er sich auch an anderen Projekten im Zuge der Generalsanierung – etwa der Drehscheibe für das Schauspielhaus, die schnellere Verwandlungen ermöglicht – beteiligt.
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Dabei tauchten bei manchem Mitglied schon Fragen auf, warum ein Vorhang eine mittlere fünfstellige Summe kostet. Kämper kann das beantworten, denn sie hat sich intensiv damit beschäftigt. Schließlich umfasst die Spendenaktion „Bühnenstoff“ nicht nur das Sammeln von Geld. Kämper arbeitet derzeit an einem Buch zur Kulturgeschichte des Bühnenvorhangs, aus dem bereits nach und nach Ausschnitte auf der Internetseite der Theaterfreunde erscheinen. Stimmen von Theatermitarbeitern, Besuchern, Informationen zu Geschichte, Funktionalität und Technik des Vorhangs – all das soll zum Jahresende 2024 als Buch erscheinen und der Verkaufserlös auch in das Projekt fließen.
Die derzeitigen Bühnenvorhänge entsprechen nicht mehr den aktuellen Sicherheitsstandards. Neuanschaffungen würden zudem die Akustik verbessern, indem Schall reflektiert oder absorbiert wird, so das Theater. Derzeit ist das Opernhaus mit einem klassischen Vorhangtyp, einem sogenannten „Griechischen Vorhang“, ausgestattet. Hierbei öffnen sich elektrisch seitlich zwei Vorhangteile, die sich im geschlossenen Zustand mittig um einen Meter zur vollständigen Deckung überlappen, um die volle Portalbreite freizugeben. Dabei ist der übliche Portalausschnitt 18 Meter breit, er kann je nach Inszenierung auch auf 20 Meter vergrößert werden.
Beim Material handelt es sich um dicht gewebtes Bühnenvelours, das den Anforderungen an den Brandschutz (schwer entflammbar) entspricht. Bei einer Breite von über 22 Metern und 10,40 Metern Höhe sowie einer Faltenzugabe von 100 Prozent bedeutet dies, dass man 470 Quadratmeter Stoff braucht, dazu ein Bleiband am unteren Rand. Damit wiege ein Hauptvorhang ohne alle technischen Hilfsmittel etwa 300 Kilogramm, hat Kämper errechnet.
„Wir wissen zu schätzen, was Ihr leistet“
Nicht nur mit der Spendenaktion will der Verein zeigen, dass er hinter dem Theater steht. Vor dem Hintergrund zunehmender Kritik an Publikumsferne, Spielplan und Erreichbarkeit der Ersatzspielstätten hat der Vorstand der Freunde und Förderer einen Unterstützungsbrief formuliert. Man wolle dem Theater „den Rücken stärken“, so Vorsitzender Christian Hass, der mit seinen Stellvertreterinnen Petra Eder und Heidrun Deborah Kämper, Schatzmeister Matthias Bretschneider sowie dem Beiratsvorsitzenden Andreas Hilgenstock das Papier unterzeichnet hat. Man wolle „deutlich zeigen, dass wir die große Leistung würdigen und wertschätzen“, so Haas. Er empfinde die Übergangszeit mit den Ersatzspielstätten als „große Bereicherung“ und würde sich „wünschen, dass sich noch mehr Mannheimer mit Offenheit, Neugier und Freude darauf einlassen und das Nationaltheater unterstützen“.
In dem Brief heißt es, die Generalsanierung sei ein „komplexes Großprojekt“. Es verlange allen Beteiligten „sehr viel ab“ und biete „viel Raum für Verunsicherung und Kritik“. Allerdings bewege sich das Angebot des künstlerischen Betriebs „auf nahezu unverändert hohem Niveau“, lobt der Vorstand und spricht „höchste Anerkennung und großen Dank“ aus: „Ihr macht einen sehr guten Job! Wir wissen zu schätzen, was Ihr leistet. Wir und die Mitglieder des Vereins stehen jederzeit als starker und verlässlicher Partner an der Seite des Theaters“, heißt es in dem Schreiben.
Die besonderen Umstände der Generalsanierung sollten „auch in der einen oder anderen Kritik bedacht“ werden, fordern die Unterzeichner und äußern sich optimistisch, „das vorhandene Gute und Wertvolle durch die Zeit der Sanierung zu bewahren und am Ende dieser Reise alles wunderbar im runderneuerten Spielhaus“ zu erleben.
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