Mannheimer Sommer - Mehrere Filme des digitalen Festivals handeln von Diskriminierung, Sexismus und den Exotismen der Oper

Bei Wagner hört der Rassismus auf – ausgerechnet

Von 
Stefan M. Dettlinger
Lesedauer: 
Hat in den USA vor allem mit Wagner-Partien keine Probleme: Sarai Cole. © Rinnert

Essentiell und nah an den Themen der Gegenwart zeigt sich das Festival Mannheimer Sommer im Nationaltheater Mannheim in seiner digitalen Freitagausgabe. Es geht unter anderem um jene Begriffe, die man schon fast nicht mehr in den Mund nehmen möchte: Rasse und Rassismus.

„Talk about race“ heißt da treffend ein Film von Philine Rinnert und Johannes Müller, in dem zwei Musikerinnen ihre rassistischen Erfahrungen schildern. Die eine, Sabrina Ma, ist eine aus China stammende und in Deutschland arbeitende Schlagzeugerin, die sich unter anderem darüber aufregt, dass sie immer wieder für japanisch gehalten wird. Die andere, Sarai Cole, ist eine schwarze Sopranistin, deren Schwester – im Gegensatz zu ihr selbst – im Kinderchor singen durfte, weil sie „weniger schwarz aussah“. Cole erzählt in dem kleinen Streifen auch davon, wie sie studiert und erste Engagements bekommen hat. Immer wieder habe man ihr gesagt, es gebe für sie halt fast keine Rollen. Die Lage ist klar: Man gesteht einer weißen Sängerin zu, etwa die chinesische Prinzessin Turandot zu verkörpern, aber einer schwarzen Sopranistin nicht, Lucia di Lammermoor zu sein. Nur bei Wagner, so Cole, höre der Rassismus auf: „In den USA ist es so: Wenn man Wagner singen kann, dann guckt keiner mehr auf Aussehen oder Rasse.“

Sich gesellschaftlich positionieren

Okay, man sitzt halt einfach vor dem Computer dabei. Mühsam ist das vor allem deswegen nicht, weil der Interviewfilm nur 8’36 Minuten lang ist. Anders ist das schon bei „Exotismus in der Oper“, einem interessanten, fast wissenschaftlichen Fachvortrag, der im Laufe der 26 Minuten aber immer interessanter und auch lebendiger wird, weil der Amsterdamer Opernspezialist MeLê Yamomo nach und nach von der Theorie zu mit Videoeinspielungen begleiteten Beispielen kommt.

Gegen Ende stellt der Mann dann auch die wichtigste Frage: „Welche Rolle spielen die zeitgenössischen Operninstitutionen, die oft den bedeutendsten Teil des öffentlichen Kunstbudgets erhalten, wenn sie sicherstellen sollen, dass ihre Rolle nicht nur darin besteht, die Kunstform zu erhalten und zu verewigen, sondern auch sicherzustellen, dass sie für alle Mitglieder der Gesellschaft, der sie dient, relevant bleibt?“

Weitergesponnen wird diese Frage auch in der anschließenden Podiumsdiskussion. Darin diskutiert die Diversitätsbeauftragte des NTM Sophie Kara mit dem designierten Direktor musikalischer Bereich Oper Thomas Hermann, den Machern des Films Philine Rinnert und Johannes Müller sowie der Berliner Schauspielerin Lara-Sophie Milagro. Außer um Exotismus und Diskriminierung geht es um die Rolle der Institution und die Zukunft der Gattung, von der mehr oder weniger einhellig gefordert wird, diverser, offener, bunter und experimenteller zu werden. Rinnert: „Die Institution soll sich politisch und gesellschaftlich positionieren und ein breites Publikum ansprechen.“ Die Häuser vollzukriegen, solle erst an zweiter Stelle stehen.

Das Thema ist mit solchen Forderungen nicht am Ende angekommen. Und natürlich sind die Erwartungen an die teuerste Kulturinstitution sehr hoch. Es kann aber auch nicht jede Institution alles leisten. Vielleicht gibt es ja deswegen so viele …

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

Mehr zum Thema

Mannheim "Schwarze Akademie" setzt sich gegen Rassismus und Vorurteile ein

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Kino Film der Woche: Scham, Sex, Sinnlichkeit - ein Kammerspiel im Hotelzimmer

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Musiktheater Gounod-Oper überzeugt am Pfalzbau in Ludwigshafen

Veröffentlicht
Mehr erfahren