Mannheim. Teilweise mehr als ein halbes Jahrhundert ist über diese Bilder hinweg gegangen, aber in ihrem Anspruch sind sie wie neu. Besucher, die Mannheims „Industriemalerin“ Elisabeth Bieneck-Roos nicht kannten, hielten die Werke für Arbeiten eines aufstrebenden jungen Künstlers.
Das berichtet Strümpfe-Galerist Eric Carstensen, bei dem die rund 15 Ölbilder und Mischtechniken bis Jahresende zu sehen sind. Ausgewählt wurden sie aus den Beständen der Mannheimer Stiftung Künstlernachlässe. Einige Exponate waren wohl noch nie ausgestellt, aber der Anlass war, dass Carstensen und das Stiftungsteam darüber rätselten, was auf den Bildern eigentlich dargestellt ist.
Elisabeth Bieneck-Roos (1925-2017) hat sich sozusagen ins Herz Mannheims hineingemalt, weil sie den Wiederaufbau der kriegszerstörten Stadt seit den späten Fünfzigerjahren dokumentierte, aber auch große Industrieanlagen, den Straßen- und vor allem Brückenbau in Mannheim und anderswo bis in die Neunzigerjahre begleitete, meist vor Ort mit Schutzhelm, Stiften und Malerblock, mitunter entstanden im Atelier danach große Arbeiten in Öl auf Jute.
Aber sind das nun Dokumente oder freie Interpretationen? Meist notierte sie selbst als Titel, dass es sich etwa um die Baustelle des Großkraftwerks in Neckarau handelte, um eine Generatorenhalle, ein Transformatorprüffeld, Roboter in einer Fertigungshalle oder die Baustelle des Fahrlachtunnels. Der Wiedererkennungswert ihrer energischen, strammen Konstruktionen ist beträchtlich - sowie erleichternd für den Betrachter. Aber ist das alles, dieser Auftritt überwältigender Industriedynamik, in der Menschen winzig erscheinen?
Elisabeth Bieneck-Roos hat auch Rätsel hinterlassen
Was Elisabeth Bieneck-Roos faszinierte, waren dynamische Prozesse, Großkonstruktionen in Arbeit, es waren Veränderungen, Vorwärtspreschen, Erfindungsgeist - nicht das fertige Objekt. Insofern hat sie tatsächlich auch Rätsel hinterlassen. Das in der Schau gezeigte große, vor Rot und Orange fast berstende „Flugobjekt“ mit den federähnlichen Zacken mutet halb organisch, halb maschinell an - und fliegen könnte es schon gar nicht, ist doch die Flugfläche seltsam geknickt und mit kleinen Schaufeln in der Knickachse besetzt. Freilich ließe sich bei dem großen Ölbild „Artefakt“ von 1995 der Blick von unten in die Pfeiler einer riesigen Eisenkonstruktion erahnen - aber mehr auch nicht.
Ohnehin scheint in den Neunzigerjahren das ausschließliche Interesse der Malerin an konkreten Objekten sich verschoben zu haben zugunsten der Darstellung von Prozessen, von Dynamik schlechthin. Darauf deutet einerseits eine großzügigere Verwendung von Farben statt der Schwarzkonstruktionen hin, andererseits ihre Faszination für Raumfahrt und kosmische Eruptionen. Die großformatige Mischtechnik „Farbwerk“ von 1981 wirkt bereits fast abstrakt als dunkles Rohr mit einer ausfließenden Masse, gehalten von einer Stahlkonstruktion als Gegenpol zum Farbfeuerwerk der Fließmasse. Wo ist das? Reale Objekte statt freier energetischer Prozesse waren offenbar schon damals nicht immer gemeint.
Info: Galerie Strümpfe, Jungbuschstr. 3, Mannheim. Do 17-20 Uhr, Fr 19-23 Uhr, Sa 17-20 Uhr.
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