Kunst - „Good Vibrations“ – Kabinettstücke im Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen

Sommer, Sonne, Strand und Busen

Von 
Christel Heybrock
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© Henne

Spontane Ideen haben ja ihren eigenen Charme. Wegen der Corona-Krise musste im Wilhelm-Hack-Museum die Ausstellungsplanung über den Haufen geworfen werden – und was nun? Einfach eine Lücke wollte niemand lassen, und so entschieden Museumsdirektor René Zechlin nebst Sammlungskuratorin Julia Nebenführ, dass irgendeine Aufmunterung für die kunstentwöhnten Besucher her musste. Aus der Not wurde jetzt im Grafikkabinett die Tugend einer kurzweiligen, sommerlich bunten Versammlung aus Pop-Art-Grafiken und -Objekten, die meisten entnommen aus der hauseigenen Sammlung Heinz Beck, wobei sich die Kuratorin mit sichtbarer Lust durch das Schlaraffenland dieses Bestandes hindurch gearbeitet hat.

Sonderschau im Wilhelm-Hack-Museum

  • Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen, Berliner Str. 23: „Good Vibrations. Sommer in der Pop Art“, Arbeiten von 34 amerikanischen, britischen und deutschen Künstlern, darunter Peter Blake, Ed Ruscha, Roy Lichtenstein, Andy Warhol und Alex Katz.
  • Die Original-Druckgrafiken und Multiple-Objekte stammen aus der Pop-Sammlung des Düsseldorfer Rechtsanwalts Heinz-Beck (1923-1988), die seit 1988 Teil des Hack-Museums ist.
  • Ausstellung bis 13. September, Di bis Fr 11-18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Sa/So und Feiertage 10-18 Uhr. Eintritt 7 Euro, ermäßigt 5 Euro, samstags freier Eintritt. 

Schon das Titelsignet der Schau lockt zum Hingucken: Da schwimmt die „Taucherin“ des Neorealisten Dieter Asmus aus dem weiten Blau des Meeres direkt auf den Betrachter zu, und man kann da gleich mittauchen ins Meer der Ideen von vor einem satten halben Jahrhundert, das kein Staubkörnchen angesetzt, dafür manches vorher gesehen hat, was uns heute noch beschäftigt. Zumindest gäbe es doch etwas Empörungsmaterial für „Me Too“-Feministinnen: nackte Busen ohne Gesicht obendrüber bei Tom Wesselmann, ja gar bei dem deutschen Bildhauer Siegfried Neuenhausen, von dem man eher dunkle knubbelige Gestalten gewöhnt ist – Busen auch noch als plastisches Relief, oh Gott.

Von Modeindustrie inspiriert

Das Motiv steht hier natürlich im Zusammenhang mit Urlaub, Strand und Meer, wobei die verfremdeten Postkarten etwa von Malcolm Morley auftauchen, aber auch so mancher Künstlername, mit dem man anderes verbunden hätte. Werner Berges etwa, dessen von der Modeindustrie inspirierte Siebdrucke das flotte Lebensgefühl der Sechziger-, Siebzigerjahre wiedergeben: Hier ist er mit einer hinreißend schönen Grafikserie von Meeresmotiven vertreten, ganz in Blau und Weiß, zart, schäumend, sensibel. Darin dann aber auch ein Damenbein, aus der Tiefe emporgereckt und noch von glänzend reflektierendem Wasser eingehüllt.

Bei all der Urlaubsthematik fehlen weder Roy Lichtensteins gepunktete Sonnenuntergänge noch Andy Warhols großformatige Blütenvariationen „Flowers“ von 1964 (und ebenso wenig eine seiner silbrigen Cola-Flaschen). Auch ein Werk des Briten David Hockney ist dabei – nein, kein Schwimmbad, sondern ein Tulpenstrauß in der Vase. Witziges Blatt in der Ecke mit den Pflanzenmotiven: „Insel“ von Robin Page. Nimmt man das „P“ seines Namens hinzu, hat man das Motiv des Pinsels, aus dessen Griff keine Borsten, sondern ein Wald aus kleinen Bäumen herausragt. Kümmerliche Bäumchen sind das, nur noch Zitat einer fernen Natur, die nicht mehr selbst, sondern nur als gepinselte Erinnerung gemeint ist.

Julia Nebenführ hat die Exponate locker geordnet, so dass sich an die Pflanzenecke der lange Gang mit den Strand- und Meeresmotiven anschließt und diesem gegenüber die Vitrinenfolge mit Multiples aus der Alltagswelt. Herausragend hier das 70 cm-Objekt „Rotationsbild mit drei Scheiben“ von Robert Rauschenberg (1967), eines aus der Serie „Ten from Leo Castelli“. Die drei halbtransparent bedruckten Plastikscheiben sollte der Betrachter eigentlich selber drehen und variieren – was man nach Jahrzehnten aber unterlassen muss. Dafür erfreuen diverse Motorisierungsthemen, etwa ein aus winzigen Einzelmotiven bestehendes Automobil von Thomas Bayrle oder die Dieselöl-Dose von Mimmo Rotella oder der wunderbare kleine Autospiegel von Allan d’Arcangelo.

Doch zurück zur Sonne: Konzeptkünstler George Brecht nahm einfach eine Packung des damals bekannten „Sonnensalzes“, auf der natürlich eine strahlende Sonne prangt – das gute Stück ist Teil der Serie „Missverständnisse“. Und die Farben von Sonnentergängen finden sich schließlich auf zwei Teetassen von Ay-O und Zero-Künstler Otto Piene. Zum Schluss noch Otto Dresslers Plastik-Eis am Stiel … also wenn das alles keine Sommerausstellung ist!

Freie Autorin MM Kulturredaktion 1974-2001, Fachgebiet Bildende Kunst

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