„Immer volles Risiko, Kopf oder Zahl“, singt Lilo Wanders, während sie die Bühne des Mannheimer Musik-Kabaretts Schatzkistl betritt. Was indes in wenig riskanter Geschwindigkeit geschieht: Die Unterhaltungskünstlerin, angetan mit goldenem Paillettenkleid, das (Perücken)-Haar voll von wildem Volumen, schiebt einen Rollator vor sich her. Eine Apotheken-Tragetasche hat sie auch dabei, aus der sie eine Wodkaflasche fischt, um einen Schluck zu nehmen und eine Lebensweisheit zu teilen: „Wusstet Ihr eigentlich, dass man den Tagesbedarf an Vitamin C mit 37 Bieren abdecken kann?“
Würdiger Abschluss mit Brel
Aber: „Eigentlich brauche ich keinen Alkohol und keine Drogen“, sagt sie. „In meinem Alter erreicht man den gleichen Effekt, wenn man schnell aufsteht.“ Das Alter – just darum geht es im Programm „Endlich 60 – gaga, geil & gierig“, das die von dem heute 64-jährigen Schauspieler und Travestiekünstler Ernst-Johann Reinhard erschaffene Kunstfigur Lilo Wanders, die spätestens als Moderatorin der TV-Sendung „Wa(h)re Liebe“ Kultstatus erlangte, vor vollem Haus im Schatzkistl präsentiert.
Die (erkältete, aber tapfer durchspielende) Künstlerin schlüpft dabei auch in die Rolle der Diva Evelyn Künneke, welche sie Mitte der 80er interviewt hatte und die, wie wir erfahren, später als Inspirationsquelle für die Konzeption der Wanders-Figur dienen sollte. Die Show ist indes nicht „gaga“, nicht nur vergnüglich, sondern in Wanders Umgang mit dem Sujet des Alterns und Alters auch melancholisch, nachdenklich und bisweilen schmerzlich nah an der Vergänglichkeit des Lebens.
„Oh Gott, wo habe ich uns hingeführt“, wird sie vor der Pause sagen, nachdem sie in empfindsamem Vortrag Fritz Rotters Liedtext „Das Mutterherz“ zitiert hat. Ein tragikomischer Abend, der in Jacques Brels Schwanengesang „La chanson de Jacky“ (Deutsch und auf ihr früheres Alter Ego Sally Starmix gemünzt), einen würdigen Abschluss findet.