Klassik

Der furiose Geiger Josef Spacek begeistert im Rosengarten

Selbst den Musikern des SWR-Symphonieorchesters war am Schluss die innere Bewegung anzumerken. "Da braucht es kein weiteres Kompliment mehr für diesen erfüllenden Konzertabend" schreibt unser Kritiker

Von 
Raimund Frings
Lesedauer: 
Überzeugt er mit geradezu sängerisch anmutenden Soli auf seiner bald 300 Jahre alten Guarneri-Violine: der 36-jährige Tscheche Josef Spacek. © Radovan Subin

Gleich vorweg: Das Ereignis des Konzerts mit dem SWR-Symphonieorchester im Rosengarten ist der packende Auftritt des 36-jährigen tschechischen Geigers Josef Spacek. Beim rhapsodischen Violinkonzert von Samuel Barber überzeugt er mit geradezu sängerisch anmutenden Soli auf seiner Guarneri-Violine. Sein jugendlich-frischer Auftritt korrespondiert mit dem unbekümmerten Dirigat des ebenfalls 36 Jahre jungen Petr Popelka. Dazu eine sicht- und greifbar engagierte Leistung jedes einzelnen Musikers des Orchesters, die einen erfrischenden Klassikabend beschert.

Spacek ist jüngster Konzertmeister der Tschechischen Philharmonie, widmet sich aber seit 2020 ausschließlich seiner Solokarriere. Sein Spiel besticht durch einen stets warmen und runden Ton, Brillanz und Virtuosität sind natürlich selbstverständlich. In Barbers Violinkonzert von 1941 behauptet sich seine Violine leichtfüßig gegen den brausenden Abwärtssog der zunehmend apokalyptischen Orchesterstimmung. Schwanken die ersten zwei lyrisch angelegten Sätze zwischen Optimismus und Melancholie - mit wunderschön von Querflöte, Fagott, Klarinetten und Oboen initiierten Leitthemen -, zeigt sich der jugendliche Geiger im steten Presto des minimalistisch anmutenden Finalsatzes zunehmend meisterhaft als Akrobat wie als Künstler.

Klangschön und anspruchsvoll

Den drei Werken des Abends ist gemein, dass sie zu Anfang der 1940er Jahre in den USA uraufgeführt sind. Alle klingen, als stünde im Hintergrund ein Auftrag zur Vertonung eines dramatischen Films. Neben Barber sind dies noch Paul Hindemiths „Sinfonische Metamorphose von Themen Carl Maria von Webers“ und die „Sinfonischen Tänze“ von Sergej Rachmaninow. Hindemiths Werk, ursprünglich als ballettbetontes Gesamtkunstwerk angelegt, besticht durch klangschöne und anspruchsvoll in allen Instrumentengruppen ausgestaltete Motive. Es wirkt wie ein Klassik-Oeuvre auf der Zielgerade zu der jazzgefärbten Dramatik etwa eines Leonard Bernstein.

Hindemith hat Webers Musik hörbar geschärft, was Gast-Dirigent Petr Popelka dankbar zu einer rhythmisch noch weiter zugespitzten Interpretation inspiriert. Der Orchesterleiter arbeitet inzwischen mit vielen internationalen Ensembles. Als ehemaliger Kontrabassist besitzt er Verständnis für einfühlsame Arbeit mit großen Ensembles. Wohltuend: Das Publikum braucht sich bei ihm nicht mit den gestischen Allüren eines international gefeierten Meisters plagen. Popelka betritt raschen Schritts die Bühne, schlägt die Partitur auf und schon nach wenigen Sekunden zählt nur noch der Komponist und sein Werk. Das erzeugt eine unmittelbare Wirkung, gerade bei einem Komponisten wie Rachmaninow, der wie kein zweiter den Furor menschlicher Tragik des 20. Jahrhunderts verarbeitet.

Die Dreiviertelstunde der 1940 uraufgeführten „Sinfonischen Tänze“, seines letzten großen Werks, lässt keinen der Besucher im Mozartsaal kalt. Wieder wie schon bei Samuel Barber bereiten die Themen der Holzbläser eine hochemotionale Grundstimmung auf, bei Rachmaninow zusätzlich noch mit einem zart-filigranen Saxofon-Thema. Überragend im Schlusssatz die furios auskomponierten Elemente wie die ursprünglich gregorianischen „Dies irae“-Hymnenmotive und die altslawischen klagenden „Pritschets“, die dem Werk eine archaische Wucht verleihen. Die Schlagwerke produzieren eine ungemein dichte Stimmung zwischen geisterhaftem Totentanz und schwermütigem Requiem. Selbst den Musikern des SWR-Symphonieorchesters ist am Schluss die innere Bewegung anzumerken. Da braucht es kein weiteres Kompliment mehr für diesen erfüllenden Konzertabend.