Der Zugang zu straffreien Schwangerschaftsabbrüchen wird in den USA immer schwieriger. Donald Trump und mehrere republikanische Bundesstaaten blasen zum Frontalangriff gegen legale Abtreibungen.
Colleen McNicholas weiß nicht, wie lange Frauen in Missouri noch eine Wahl haben. Denn schon bald könnte der Bundesstaat im Herzen der USA der erste sein, in dem es keinen Anbieter legaler Schwangerschaftsabbrüche mehr gibt. „Die fürchterliche Realität ist, dass alles an einem sehr dünnen Faden hängt“, sagt die Gynäkologin, die Frauen an der Planned-Parenthood-Klinik in St. Louis hilft.
Der formale Hintergrund des Streits um die Lizenzierung der Einrichtung sind angebliche Defizite bei medizinischen Standards. Frauen- und Bürgerrechtler halten das für einen Vorwand konservativer Politiker, die letzte Abtreibungsklinik in dem Bundesstaat zu schließen. Die Vermutung liegt auf der Hand, nachdem die republikanische Mehrheit im Staatsparlament Schwangerschaftsabbrüche ab der achten Woche verboten hat – ohne Ausnahmen für Opfer von Inzest oder Vergewaltigung.
Nach der Intervention eines Gerichts erhielt das Frauen-Gesundheitszentrum in St. Louis eine vorübergehende Lizenz zum Weiterbetrieb, bis der Rechtsstreit mit dem Bundesstaat abschließend geklärt ist. Verliert Planned Parenthood, hätten Frauen keinen legalen Zugang mehr zu straffreien Schwangerschaftsabbrüchen in Missouri. Damit müssten Betroffene Hilfe in einem anderen Bundesstaat suchen.
99 Jahre Gefängnis drohen
Doch auch in den Nachbarstaaten des Südens und des Mittleren Westens haben die durchweg republikanischen Regierungen einen Frontalangriff auf die Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen vorgenommen. Neun Bundesstaaten haben bereits sogenannte Herzschlaggesetze beschlossen, die Abtreibungen ab dem Moment illegal machen, ab dem im Fötus ein Herzschlag festgestellt werden kann. Das ist in der Regel in der sechsten Woche der Schwangerschaft der Fall. Kritiker beanstanden, dass zu diesem Zeitpunkt viele Frauen noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind.
Zehn andere Bundesstaaten bereiten entsprechende Gesetze vor. In Alabama wartete auf die Gynäkologin McNicholas eine Gefängnisstrafe bis zu 99 Jahre, wenn sie beispielsweise einem Vergewaltigungsopfer nach der sechsten Woche helfen würde. Das geht selbst einigen Lebensschützern zu weit, die fürchten, dass sich Eiferer wie die Architektin des Abtreibungsverbots von Alabama, die Republikanerin Terri Collins, damit ein Eigentor schießen.
Collins hatte bei einer Veranstaltung mit Wählern in ihrem Wahlkreis die Absicht hinter der Strategie der Herzschlaggesetze offengelegt. „Wir wollen Roe v. Wade kippen und den Staaten dann erlauben, vorzugehen, wie sie wollen.“ „Roe v. Wade“ heißt das Grundsatzurteil aus dem Jahr 1973, das Schwangerschaftsabbrüche in den USA grundsätzlich zur Privatsache machte und straffrei stellte. Seitdem ist das Urteil mehr als ein Dutzend Mal modifiziert worden, blieb aber im Kern erhalten. Nach der Benennung zweier neuer konservativer Verfassungsrichter durch US-Präsident Donald Trump setzen die Abtreibungsgegner darauf, dass die neue konservative Mehrheit am Supreme Court „Roe v. Wade“ den Todesstoß versetzt. Sie hoffen, dass die rechtlichen Anfechtungen der „Herzschlaggesetze“ am Ende vor dem Verfassungsgericht landen.
Druck auf Gesundheitszentren
Rechtsexperten wie Richard W. Garnett von der Notre Dame Universität in Indiana meinen, es sei „keineswegs sicher“, dass sich die Richter mit diesen Gesetzen beschäftigen wollten. „Stattdessen könnten sie ihrer bisherigen Doktrin folgen.“ Das heißt, der Supreme Court nähme bestenfalls graduelle Veränderungen vor.
Für viel bedrohlicher halten die Verteidiger des Zugangs zu straffreien Abtreibungen, was auf bürokratischer Ebene passiert. Dazu gehört das neue Regelwerk des US-Gesundheitsministeriums für den Betrieb von Frauengesundheitszentren, wie das in Missouri. Die Trump-Regierung verbietet Organisationen wie Planned Parenthood, Frauen, die zu einer Beratung kommen, an ihre eigenen Klinken zu verweisen. Der Hebel dazu sind Mittel, aus denen bisher Verhütungsmittel, Schwangerschaftstests und Screenings übertragbarer Geschlechtskrankheiten für bedürftige Frauen ohne Krankenversicherung finanziert worden waren. Planned Parenthood war mit 1,5 Millionen Patientinnen im Jahr bisher einer der größten Empfänger. Nun ging die Organisation in die Offensive. „Unsere Patientinnen verdienen es, ihre eigenen Gesundheitsentscheidungen zu treffen“, erklärte die amtierende Vorsitzende McGill Johnson. „Sie sollten nicht gezwungen werden, den Entscheidungen zu folgen, die Donald Trump und Mike Pence für sie treffen wollen.“
Planned Parenthood gießt damit zusätzlich Öl ins Feuer der neu entflammten Abtreibungsdebatte, die zu einem wichtigen Thema im Präsidentschaftswahljahr werden dürfte. Bei den Demokraten geriet Spitzenreiter Joe Biden massiv unter Druck von Kamala Harris und anderer Herausforderer, nämlich wegen seiner früheren Unterstützung des „Hyde“-Gesetzes, das den Einsatz von Steuergeldern zur Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen verbietet.
Wichtiges Wahlkampfthema
Gravierender sind die Unterschiede zwischen Demokraten und Republikanern. Trump sieht in den Abtreibungsverboten ein Thema, das ihm hilft, seine evangelikale Basis zu mobilisieren. Dennoch ist der Präsident zurückhaltend, was radikale Gesetze angeht, die keine Ausnahmen bei Vergewaltigung, Inzest oder einer Bedrohung des Lebens der Mutter vorsehen. Er sei „stark für das Leben“, sagte Trump kürzlich. Stattdessen setzt der US-Präsident auf ein Verbot von „Spätabtreibungen“, für die es mehr Unterstützer gibt.
Eine jüngst erhobene Umfrage des „Public Religion Research Institute“ stellt in keinem einzigen Bundesstaat mehr als 23 Prozent Unterstützung für ein totales Abtreibungsverbot fest. Eine Mehrheit von 58 Prozent ist der Ansicht, dass Abtreibungen straffrei bleiben sollen.
Den Frauen von Missouri helfen solche Umfragen wenig. Für die Gynäkologin McNicholas im Frauengesundheitszentrum von Planned-Parenthood in St. Louis geht es am Ende um eine ganz praktische Frage. „Für mich ist Zugang zu straffreien Abtreibungen das wichtigste Gesundheitsthema, das wir ansprechen müssen.“ Dieser ist in Trumps USA schwieriger geworden.