Martina Mahner ist dick. Sehr dick. Die Initiatorin mehrerer Internetforen für übergewichtige Menschen sieht das aber nicht als Makel.
Frau Mahner, Sie sind dick und selbstbewusst. Eine Ausnahme?
Martina Mahner: Die meisten Dicken haben die Vorurteile gegen sich verinnerlicht. Sie nehmen sich vorwiegend als Dicke wahr und fühlen sich als Außenseiter. Aber ich sehe mich nicht als am Rande der Gesellschaft stehend. Ich bin dick, aber nicht schlecht.
Haben Dicke im Alltag mit Vorurteilen zu kämpfen?
Mahner: Ja.
Können Sie Beispiele nennen?
Mahner: Ich fahre zum Beispiel gerne Fahrrad. Und da werde ich regelmäßig angepöbelt. Sprüche wie "Das arme Fahrrad" oder "Guck mal die Fette auf dem Rad" sind Alltag. Manche Dicke machen diese Beleidigungen kaputt. Natürlich gibt es Tage, an denen mir solche Sätze auch zusetzen. Aber normalerweise lasse ich das an mir abprallen
Und das wollen sie anderen Dicken vermitteln?
Mahner: Ich will zeigen, dass man auch selbst schuld ist, wenn man dieses Spiel mitspielt. Man darf die Vorurteile und Aggressionen nicht gegen sich selbst verwenden.
Heißt das, Sie wollen nichts an Ihrem Übergewicht ändern?
Mahner: Ich würde schon gerne 20 bis 30 Kilogramm weniger wiegen. Aber dann wäre ich noch immer dick. Ich finde es nicht so schlimm, dick zu sein, solange ich dabei gesund bin. Aber mein Gewicht schränkt mich derzeit in meinen Bewegungen ein.
Warum machen Sie keine Diät?
Mahner: Das macht keinen Sinn. Jeder Dicke hat zig Diäten und Kuren hinter sich. Das führt zu einem Jo-Jo-Effekt, das Gewicht steigt immer weiter.
Und was ist Ihr Ziel?
Mahner: Das Ziel muss sein, nicht weiter zuzunehmen. Mein Gewicht ist seit 2002 bei über 150 Kilogramm stabil. Und ich versuche trotz Übergewicht, so gesund wie möglich zu leben.
Können Sie konkreter werden?
Mahner: Ich bemühe mich um Bewegung und gesunde Ernährung. Mein Mann und ich ernähren uns bio. Wir essen viel Obst, viel Gemüse, wenig Fleisch, achten auf gute Fette und Ballaststoffe.
Wieso sind Sie trotzdem so dick?
Mahner: Ich habe eine Schilddrüsenerkrankung, mit der meine erste Gewichtszunahme zusammenhing. Es ist ein Vorurteil, dass dicke Menschen nichts über gesunde Ernährung wissen. Ich behaupte von mir, dass ich mich da sehr gut auskenne.
Die Regierung hat dem zunehmenden Übergewicht den Kampf angesagt. Was halten sie davon?
Mahner: Auch das ist ein Anliegen meiner Arbeit. In der Politik und in den Medien wird das Thema Übergewicht oft sehr einseitig dargestellt. Es bringt nichts, den Menschen zu sagen, sie sollten weniger essen. Das ist zu kurz gegriffen.
Was schlagen Sie vor?
Mahner: Zunächst einmal sollte man das Problem nicht aufbauschen. Es heißt, 60 Prozent der Deutschen seien übergewichtig. Doch von dieser Gruppe haben 80 Prozent einen Body Mass Index von 25 bis 30. Das ist nicht besonders dick.
Aber Sie zweifeln nicht an, dass es immer mehr dicke Menschen gibt.
Mahner: Nein, doch das Problem sollte neutraler angegangen werden. Natürlich sollten dicke Menschen Hilfe bekommen. Aber angemessene Hilfe. Wenn ich mir beispielsweise TV-Sendungen wie die Abnehm-Show "The Biggest Loser" ansehe: Das müsste verboten werden.
Was könnte helfen?
Mahner: Nationale Kampagnen sind viel zu allgemein. Wir brauchen zum Beispiel besser ausgebildete Ärzte, die individuell auf die einzelnen Patienten und deren Stoffwechsel eingehen können.