Zum 75. Mal jährt sich dieses Jahr das Attentat auf Adolf Hitler. Entsprechend richtet sich die Aufmerksamkeit auf Claus Schenk Graf von Stauffenberg und dessen Engagement im Widerstand. Doch über seine Rolle lässt sich auch streiten.
Pro
von unserem Redaktionsmitglied Jörg-Peter Klotz
Natürlich darf man historische Figuren nicht undifferenziert verklären. Die Motive der Verschwörer vom 20. Juli 1944 waren nicht durchgängig ehrenwert, lupenreine Demokraten sucht man vergebens. Mit Generalquartiermeister Eduard Wagner und SS-Gruppenführer Arthur Nebe waren auch ausgewiesene Menschenschlächter darunter. Die Vorbildfunktion des zentralen Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg massiv in Zweifel zu ziehen, war dagegen schon zu Zeiten der 68er-Bewegung falsch: Einem 1907 noch im Königreich Bayern geborenen Sohn eines Oberhofmarschalls vorzuwerfen, er sei Militarist und Nationalist, grenzt an Ignoranz.
Wer den sozialgeschichtlichen Kontext einer Persönlichkeit derart ausblendet und sie nur an den Wertmaßstäben aus der luxuriösen Situation in einer freiheitlichen Demokratie bemisst, hat viel zu tun. Etwa am Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald rütteln. Denn der Cherusker-Fürst hat die Römer bei der Varusschlacht im Jahr 9 nach Christus wohl kaum nach der Genfer Konvention von 1929 behandelt. Vom 2017 viel geehrten Reformator – und glühenden Antisemiten – Martin Luther nicht zu reden. Wer sein Leben in die Waagschale wirft, um einen Unrechtsstaat zu stürzen, sollte, darf, ja muss in Erinnerung bleiben.
Kontra
von unserem Redaktionsmitglied Manfred Loimeier
Es ist verständlich, dass im geteilten Deutschland der Nachkriegszeit die Sehnsucht nach Widerstandshelden groß war. Die Art, wie sich BRD und DDR ihre Helden schufen, ist bezeichnend: Ost-Berlin vereinnahmte die „Rote Kapelle“ als Zentrum des kommunistischen Widerstands, Bonn machte aus Claus Schenk Graf von Stauffenberg einen untadeligen Hitler-Gegner. Das passt zwar zu jener Zeit der mehr oder weniger wirksamen Vergangenheitsbewältigung, ist aber nicht mehr zeitgemäß. Denn es verengt den Blick auf die so lange unterschlagene Breite des zivilen Ungehorsams. Auch das hat Gründe, denn Regierungskritik kam in der Nachkriegszeit weder in Bonn und noch weniger in Ost-Berlin gut an, wie Historiker betonen.
Doch jetzt ist es an der Zeit, diese beschränkte Heldenverehrung zu beenden und auf eine alltägliche Ebene zu kommen. Helden dürften all jene gewesen sein, die im totalitären Regime Hitlers einen Hauch von Humanität aufrechterhielten. Das war nicht nur Stauffenberg, sondern das waren viele Menschen, deren Engagement vorbildlich war und lange unbekannt blieb – und es zum Teil noch ist. Aber gerade diese Menschen „wie du und ich“ hatten den Mut, sowohl im Alltag zu stehen als auch zu widerstehen.