Sie kehrt wieder zurück. Heike Pirngruber, Rad-Weltreisende aus Großsachsen, zieht es nach 14 717 Radkilometern in Afrika wieder an die Bergstraße – zum Heimaturlaub. Für die Frau, die gerne über (ihre) Grenzen geht, keine einfache Entscheidung. Doch Westafrika forderte seinen Tribut.
Nach einem Jahr auf dem Schwarzen Kontinent reiste sie aus Liberia in die Elfenbeinküste ein, das insgesamt 100. Land, das die Solo-Radlerin in ihrem Reise-Leben besuchte. Im Gegensatz zu den Staaten zuvor konsumierten die Menschen hier wieder etwas. Fufu, Kochbananen-Klöße, boten etwas Abwechslung zum allseits gegenwärtigen Reis mit Manioksoße, auch wenn es trotzdem so blieb, dass die Menschen aus der Not eine Tugend machten. Gegrillte Ratte ist nicht nach jedermanns Geschmack.
Es brannten wieder Lichter, die Landschaft wurde abwechslungsreicher. Wälder, Felsen, schön gelegene Dörfer, doch je weiter die Fotografin und Kamerafrau ins Landesinnere vordrang, umso deutlicher zeigte sich auch hier die Armut. „Es erschüttert mich, unter welch desolaten Bedingungen die Menschen hier leben.“ Immer wieder ist Pirngruber hin- und hergerissen zwischen Ohnmacht, schlechtem Gewissen und der Verwunderung darüber, wie sich die Menschen auch so einfach der Situation ergeben.
Pirngruber traf auf dem Markt eine Frau, die aus Liberia geflohen ist, ihren Mann verloren hat und nur eines ihrer Kinder in die Schule schicken kann, weil sie die Jahresschulgebühr nicht bezahlen kann – zehn Euro. „Und andererseits gibt es in Westafrika nahezu nie eine Situation, die nicht mit einem Lächeln beginnt und mit einem Lächeln endet. Hier ist einfach nirgendwo irgendetwas ein Problem.“
Ein Problem hatte die Großsachsenerin allerdings mit sich und ihrer westlichen Gedankenwelt. „Die hygienischen Bedingungen sind katastrophal und ich wundere mich, dass ich noch nicht ernsthaft krank war.“ Vor allem, wenn man berücksichtigt, wo die 47-Jährige überall nächtigt. Unter anderem auch zweimal im Bordell.
Radpannen an der Tagesordnung
Die Zeit auf dem Rad vertrieb sich Heike Pirngruber mit dem Lauschen interessanter Podcasts, zwischendurch schaute sie sich schöne Lehmgebäude an und freute sich über ihr erstes Eis seit Monaten. Allerdings häuften sich die Radpannen in diesem Land, in dem allein 60 Sprachen nur in der Elfenbeinküste gesprochen werden. Sie hatte kaum noch etwas in der Tasche, das funktionierte. „Auch wenn sich hier der Müll auf den Straßen sammelt, die Afrikaner reparieren alles.“
Dass in Afrika immens viele Menschen leben, spürte Pirngruber jeden Tag aufs Neue. Alleinsein konnte sie fast nirgends. Wenn nicht Menschen um sie herum waren, erschallte nachts ihre Musik. 1,3 Milliarden leben in Afrika, 2050 könnten es bis zu 2,5 Milliarden sein. Nachdem sie sich mit gebackenen Bananen und Fisch den Magen verdorben und wenig später noch Flöhe eingefangen hatte, kam das nächste Land in Sicht: Ghana. Auch hier wollte sie mindestens einen Monat bleiben und im Mole Nationalpark fand Heike Pirngruber ihre Wohlfühloase, erstes touristisches Reiseziel nach Atar in Mauretanien. Auf einer Safari sah sie Paviane, Antilopen Vögel und Elefanten.
„Trotzdem wurde ich immer müder. Ich war bereits durch zu viele Dörfer gekommen, die am Ende immer gleich aussahen, fing an, den Menschen aus dem Weg zu gehen.“ Da half auch ein zehntägiger Aufenthalt bei einer Missionarsfamilie nichts, der Pirngruber einmal mehr zeigte, wie viel Glück und Zufriedenheit Menschen aus ihrem Glauben schöpfen. In Accra reifte die Entscheidung, zu Hause wieder Kraft zu tanken. „Die fröhlichen Menschen werde ich vermissen. Ich bin durch Afrika dankbarer, ruhiger, ausgeglichener und geduldiger geworden. Das nehme ich auf jeden Fall mit auf meine nächste Reise.“ AT