Berlin. Corona hat die Berlinale infiziert. Die 71. Ausgabe des Festivals findet 2021 (zunächst) online statt. In abgespeckter Form und in zwei Ausgaben. Bis 5. März steht der „Industry Event“ auf dem Programm. Herzstück ist der European Film Market, eine Plattform für den Handel mit Filmen und audiovisuellen Inhalten. Produzenten, Einkäufer, Verleiher und Finanziers vernetzen sich hier.
Zugangsberechtigt sind zudem rund 1600 Journalisten, die über Wettbewerb und Nebensektionen berichten. Der zweite Teil, das „Summer Special“, soll vom 9. bis zum 20. Juni stattfinden. Mit Publikum, wobei nur rund die Hälfte der Produktionen gezeigt und dann die Preise überreicht werden. Die Siegerfilme werden am 5. März bekanntgegeben. Auf einen Juryvorsitzenden hat man verzichtet, das Sextett – drei Frauen, drei Männer – setzt sich aus ehemaligen Bären-Gewinnern zusammen, darunter die Bosnierin Jasmila Zbanic und der Iraner Mohammad Rasulof.
Melancholische Komödie
Die Struktur des Festivals mit seinen Reihen – Encounters, Panorama, Forum etc. – hat man weitgehend beibehalten, die Anzahl der Titel reduziert. 15 Filme, darunter zwei Debüts, laufen im Wettbewerb, den der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian so kommentiert: „Wenn der Wettbewerb ein Bild des Kinos zeichnet, wie es ist und wie es sein wird, dann können wir sagen, dass die Disruption, die durch die Ereignisse 2020 ausgelöst wurde, Filmemacherinnen und Filmemacher dazu veranlasst hat, Kraft aus dieser Situation zu schöpfen und zutiefst persönliche Filme zu kreieren“. Die Mehrzahl der Arbeiten stammt von Künstlern, die bereits in der Vergangenheit zu Gast waren. Behandelt werden brisante Themen. Bislang sieht es so aus, dass jeder Film die Form, die er wählt, hinterfragt, ob Kammerspiel oder moralisches Lehrstück, Literaturadaption, Coming-of-Age-Story, Satire oder Historienfilm. Stark vertreten ist der heimische Film mit fünf (Ko-)Produktionen, drei mit Berlin-Fokus, ärgerlich der Umstand, dass Dominik Grafs Erich-Kästner-Interpretation „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ und Daniel Brühls Regieerstling „Nebenan“ wohl aus Angst vor digitaler Piraterie vorab nicht zum Sichten freigeschaltet werden.
Mutig der Konkurrenz gestellt – und zu unseren Zwangsdistanzzeiten passend – hat sich am ersten virtuellen Festivaltag die vielseitige Maria Schrader („Unorthodox“) mit „Ich bin dein Mensch“. Sie erzählt nach Motiven der gleichnamigen Erzählung von Emma Braslavsky von einer arbeitswütigen Wissenschaftlerin (Maren Eggert), die im Laufe einer Studie auf einen humanoiden Roboter (Dan Stevens) trifft, der zu nichts anderem geschaffen wurde, als sie glücklich zu machen.
Eine kluge, melancholische (Liebes-)Komödie, schlagfertig und gut besetzt – unter anderem mit der groß aufspielenden Sandra Hüller („Toni Erdmann“) – die der Frage nachgeht, was den Menschen zum Menschen macht.